Kiew will Rebellen vor Haager Strafgerichtshof bringen

Demoliertes Haus in Mariupol nach einem Raketenangriff.
Demoliertes Haus in Mariupol nach einem Raketenangriff.(c) REUTERS (STRINGER)
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Bei einem Raketenangriff, offenbar von prorussischen Separatisten, auf ein Wohnviertel in Mariupol wurden fast 30 Menschen getötet. Die Regierung will die Rebellen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagen.

Nach dem Tod zahlreicher Zivilisten in der Ostukraine am Wochenende will die prowestliche Führung in Kiew die moskautreuen Separatisten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verklagen. Der Nationale Sicherheitsrat wies die Regierung am Sonntag an, die Aufständischen wegen Delikten im Bürgerkrieg beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anzuklagen.

Zudem soll sich die Regierung dafür einsetzen, die selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk international als Terrororganisationen zu ächten. Als Reaktion auf den Raketenangriff auf die Hafenstadt Mariupol, bei dem mindestens 30 Menschen getötet wurden, ordnete der Sicherheitsrat unter anderem den Kauf neuer Waffen für die Streitkräfte an. Die Separatisten und das Militär machen sich gegenseitig für die Attacke verantwortlich.

Lawrow beschuldigt Führung in Kiew

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, die Tragödien in Mariupol und anderen ostukrainischen Orten hätten vermieden werden können, wenn die Ukraine ihre Waffen wie vereinbart aus dem Konfliktgebiet abgezogen hätte. Er machte in einem Telefonat mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini die Führung in Kiew für die sich erneut zuspitzende Lage verantwortlich.

International wächst derweil der Druck auf Russland. EU, USA und Nato forderten Moskau am Wochenende wiederholt und eindringlich auf, die Separatisten nicht zu unterstützen. Die USA würden alle Optionen außer einem militärischen Eingreifen prüfen, sagte US-Präsident Barack Obama: "Ich habe klar gemacht, dass es für uns nicht zielführend wäre, wenn wir uns in einen militärischen Konflikt mit Russland begeben. Aber wir können der Ukraine dabei helfen, ihr Staatsgebiet zu kontrollieren."

Offensive der Aufständischen

Die Rebellen bestritten die Verantwortung für den Angriff, bei dem Raketen am Samstag in einem dicht besiedelten Wohnviertel eingeschlagen waren - einmal am frühen Morgen und dann noch einmal am frühen Nachmittag. 

Vor dem Angriff hatte Separatistenführer Alexander Sachartschenko die Offensive auf die Hafenstadt verkündet. Zum Raketenangriff äußerte sich Sachartschenko erst Stunden später. Dabei bestritt er eine Verantwortung für den Angriff und sagte, die Offensive habe noch gar nicht begonnen. Seine Streitkräfte sparten sich noch "ihre Kraft" und hätten noch "keine aktiven Operationen in Mariupol vorgenommen". Eine mögliche Einnahme der strategisch wichtigen Hafenstadt nannte Sachartschenko "den bestmöglichen Tribut für all unsere Toten".

Raketen aus Rebellengebiet abgefeuert

Nach Erkenntnissen der OSZE wurden die Raketen vom Typ Grad und vom Typ Uragan aber von Gebieten in der Ostukraine gestartet, die von prorussischen Separatisten kontrolliert werden. Eine Untersuchung der Krater habe gezeigt, dass die Einschläge von Raketen stammten, die aus dem Osten und dem Nordosten von Mariupol abgefeuert worden seien, berichtete die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa am Samstagabend.

Die Geschoße seien in 400 Meter Entfernung von einer Straßensperre der ukrainischen Armee gelandet. Die OSZE verurteilte den "schändlichen" Raketenangriff auf das Wohngebiet, bei dem auch Frauen, Kinder und ältere Menschen getötet worden seien.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte Moskau, die jüngste Gewalteskalation werde "zu einer weiteren schweren Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und Russland" führen. Sie rief die russische Regierung erneut auf, ihren Einfluss auf die Rebellen zu nutzen sowie jegliche Unterstützung für dieprorussischen Kämpfer einzustellen.

EU könnte Sanktionen verschärfen

Entsprechend äußerten sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, US-Außenminister John Kerry und Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Während eines Besuchs in Algier nannte Steinmeier die aktuelle Lage in der Ukraine "hochgefährlich". Er warf den Separatisten vor, die Friedensbemühungen zu unterlaufen und eine militärische Entscheidung anzustreben.

Nach Angaben aus EU-Kreisen könnten die EU-Außenminister kommende Woche wegen der Rebellenoffensive auf Mariupol über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland beraten. Derzeit werde die Möglichkeit einer Sondersitzung geprüft, hieß es in Brüssel. Das aktuelle Vorsitzland Lettland verurteilte die neue Eskalation der Gewalt scharf und forderte ein außerordentliches Treffen der EU-Außenminister.

Waffenstillstand nie wirklich umgesetzt

Die Ukraine, Russland und die prorussischen Rebellen hatten im September in Minsk einen Waffenstillstand vereinbart, der allerdings nie umgesetzt wurde. Zuletzt hatte es wieder besonders heftige Kämpfe gegeben. Am Donnerstag zogen sich die ukrainischen Truppen nach monatelangen Gefechten vom umkämpften Flughafen von Donezk zurück. Sachartschenko kündigte am Freitag ein Vorrücken seiner Kämpfer Richtung Westen an. Gespräche über eine Waffenruhe werde er vorerst nicht mehr führen.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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