Alternative Mittel: EZB bereitet geldpolitischen Schwenk vor

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EZB(c) AP (Frank Rumpenhorst)
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Hochrangige Notenbanker bereiten sich auf den Einsatz alternativer geldpolitischer Mittel im Kampf gegen die Wirtschaftskrise vor. EZB-Vizepräsident Papademos spricht davon, Anleihen privater Emittenten zu kaufen.

Immer mehr hochrangige Notenbanker der Euro-Zone können sich offenbar den Einsatz alternativer geldpolitischer Mittel im Kampf gegen die globale Finanz- und Wirtschaftskrise vorstellen. Einige von ihnen bereiteten am Donnerstag Finanzmärkte und Öffentlichkeit verbal auf einen baldigen geldpolitischen Schwenk der EZB vor.

EZB-Vizepräsident Lucas Papademos sagte in Brüssel, es könne unter bestimmten Umständen angemessen sein, Anleihen privater Emittenten zu kaufen, um die Liquidität des Finanzsystems zu erhöhen. "Potenzielle Maßnahmen könnten Ankäufe von Wertpapieren privatwirtschaftlich arbeitender Schuldner am Sekundärmarkt sein, um diesen liquider zu machen und die Kosten für die Finanzierung der Realwirtschaft zu senken." Eine Entscheidung über solche Interventionen sei allerdings noch nicht getroffen worden, sagte der zweite Mann der Europäischen Zentralbank (EZB).

Ankauf von Commercial Papers

Der niederländische Notenbank-Gouverneur Nout Wellink erklärte in Amsterdam, er wolle nicht ausschließen, dass die EZB über den Ankauf von Commercial Papers und forderungsbesicherten Wertpapieren zusätzliches Geld in die Wirtschaft pumpen werde. "Das kann man nicht ausschließen. Wenn es Grund dafür gibt, dann wird die EZB Schritte in diese Richtung unternehmen." Zuletzt hatten auch Bundesbank-Chef Axel Weber und sein französischer Amtskollege Christian Noyer durchblicken lassen, dass hinter den Kulissen derartige Überlegungen angestellt würden.

Die Europäische Zentralbank entscheidet in einer Woche über den Leitzins. Experten erwarten, dass der EZB-Rat nochmals an der Zinsschraube dreht und den Schlüsselzins auf ein Prozent senkt. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und zahlreiche Mitglieder des EZB-Rats hatten dies zuletzt signalisiert.

Druck steigt

Da sie damit der Nulllinie und damit der natürlichen Grenze des Zinses nahe kämen, steigt der Druck auf die Hüter des Euro, nach dem Vorbild anderer Zentralbanken auf unorthodoxe Maßnahmen umzusteigen. Darunter versteht man den Ankauf von Wertpapieren durch die Notenbank - von Unternehmens- und Staatsanleihen. Mehrere wichtige Zentralbanken, die ihren Leitzins aggressiver gesenkt hatten als die EZB, sind bereits dazu übergegangen. Finanziert wird dies de facto durch die Notenpresse.

Diskutiert wird innerhalb des EZB-Rats derzeit aber auch eine defensivere Variante der geldpolitischen Lockerung, nämlich die Laufzeitenverlängerung bei den Refinanzierungsgeschäften der Notenbank mit den Geschäftsbanken. EZB-Vize Papademos sagte in Brüssel dazu, dies sei eine mögliche Maßnahme, um den Banken zu helfen. Seine Begründung: "In Europa spielt das Bankensystem bei der Finanzierung von Unternehmen eine dominierende Rolle im Gegensatz zum Kapitalmarkt, wie es in anderen Volkswirtschaften der Fall ist."

Bisher können sich die Banken in der Euro-Zone längstens für sechs Monate bei der EZB zum Leitzins in unbegrenzter Höhe refinanzieren. Angedacht ist nun eine Verlängerung auf bis zu zwölf Monaten. Nach unbestätigten Medienberichten können sich einige Notenbanker sogar drei Jahre als längste Fälligkeit vorstellen. Nicht wenige Volkswirte halten das jedoch für abwegig, weil niemand wissen könne, wann die Wirtschaft wieder anspringe und wie hoch der Leitzins dann sei.

(APA)

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