Sanktionen gegen Russland: Kein Stein der Weisen

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Der Westen überlegt neue Sanktionen gegen Russland. Dabei hatte Angela Merkel soeben mit der Idee einer Freihandelszone Entspannung signalisiert. Nichts davon wird kommen.

Wien. In der Frage der Sanktionen gegen Russland sucht der Westen nach wie vor den Stein der Weisen. Dass dabei mittlerweile unterschiedliche Strategien verfolgt werden, wurde in den vergangenen Tagen offensichtlich. So verblüfften Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Davos mit dem Angebot einer Freihandelszone mit der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion. Nach der Eskalation vom Wochenende in der Ostukraine mit Dutzenden zivilen Opfern jedoch schließt Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, neue Sanktionen nicht aus. Die USA sprechen von einer möglichen Erhöhung des Drucks. Und am Donnerstag treffen sich die EU-Außenminister zu einer Sondersitzung.

Dass es dabei tatsächlich zu Sanktionsverschärfungen kommt, gilt unter Beobachtern aber als unwahrscheinlich. Man werde, so Gerhard Mangott, Professor für Osteuropa-Politik an der Universität Innsbruck, wohl eher verschärfende Maßnahmen androhen.

Damoklesschwert Swift

Zuletzt war abermals die Idee kursiert, Russlands Banken – so wie vor drei Jahren die iranischen – vom internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift auszuschließen.

Es wäre der Abbruch der Beziehungen zwischen den USA und Russland, sagte Andrej Kostin, Chef von Russlands zweitgrößter Bank, VTB: „Meiner persönlichen Meinung nach bedeutet die Einführung solcher Sanktionen Krieg.“

Über Swift werden täglich Zahlungsaufträge über sechs Bio. Dollar in 201 Ländern abgewickelt, wobei Russland zu jenen 15 Ländern gehört, die Swift am meisten nutzen. Zwar hat Russland den Aufbau eines eigenen Zahlungsverkehrssystems betrieben. Was es aber leisten kann, ist umstritten.

Auch ohne Swift-Ausschluss sind die Auswirkungen der Sanktionen beträchtlich – und zwar stärker als erwartet, meint der nun in Paris lehrende russische Starökonom Sergej Guriev: Und die Hoffnung, sich Kapital stattdessen in China zu beschaffen, habe sich nicht erfüllt, weil chinesische Geldinstitute Strafen befürchten. Gerade von russischer Unternehmerseite gab es wiederholt Appelle, die Sanktionen aufzuheben. So rief Igor Setschin, Russlands zweitmächtigster Mann und Chef des größten Ölkonzerns, Rosneft, der mit massiven Refinanzierungsproblemen kämpft, schon Ende November im Interview mit der „Presse“ dazu auf, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Und der Chef des russischen Unternehmerverbandes, Alexandr Schochin, sagte im Interview, die Sanktionen würden nur die Falken im Establishment füttern und die West-Feindlichkeit im Volk verstärken.

In der Tat ist das Ziel, einen Meinungsumschwung in Russland herbeizuführen, verfehlt worden. Und auch in der westlichen Wirtschaft ist der Unmut groß. So sind die österreichischen Exporte nach Russland 2014 um etwa 15 Prozent zurückgegangen, in Deutschland laut Vorsitzendem des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, um 18 Prozent. Entsprechend offen gab sich Cordes Merkels Idee einer Freihandelszone gegenüber: Es sei „wirtschaftspolitisch absolut sinnvoll“.

Illusion Freihandelszone

In Wirklichkeit ist es – zumindest in absehbarer Zeit – absolut illusorisch. Dies, obwohl etwa EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker längst neue Angebote an Russland fordert. Merkels „Angebot“ ist klar an Bedingungen geknüpft – nämlich eine Friedenslösung im Ukraine-Konflikt. „De facto ist Merkels Angebot an dieselben Bedingungen geknüpft wie die Aufhebung der Sanktionen“, erklärt Mangott: Der Erfolg werde daher maximal begrenzt sein.

Russland hat auf Merkels Vorschlag denn auch nicht reagiert. Dies, obwohl die Idee einer Freihandelszone („von Lissabon bis Wladiwostok“) von Kreml-Chef Wladimir Putin 2010 aufgebracht worden war. Aber es gebe in Russland selbst Widerstände, weil heimische Produzenten unter Druck kommen würden, so Mangott.

Was in den Augen der Russen fehlt, ist, mit der Eurasischen Wirtschaftsunion als ebenbürtiger Gesprächspartner behandelt zu werden. So bleibt, was Deutschlands Vizeregierungssprecherin, Christiane Wirtz, sagte: Es handele sich nicht um ein konkretes Verhandlungsangebot. Es sei aber ein „Signal der Offenheit“ für Gespräche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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