Messen mit zweierlei Maß

Ist eine emotionslose Beurteilung des „Falles Zilk“ wirklich nicht möglich?

Vielleicht hat er ja irgendwann einmal „I'll be back, Dagi“ gebrummt – der Terminator, pardon „Informator“ Helmut Zilk. Der Fall wächst sich zu einer Innenpolitikposse aus. Denn die Reaktionen auf die Vermutung, dass Zilk zwischen 1965 und 1968 gegen Honorar mit dem tschechischen Geheimdienst geplaudert hat, sind fast noch absurder als die Enthüllung selbst. Es kann offenbar nicht sein, was nicht sein darf, da vergeht sogar dem Kanzler das Lächeln. Historikerkommission? Ich bitt Sie!

Klar, Zilk ist ein Säulenheiliger der österreichischen Innenpolitik, seine Verdienste um die Stadt Wien unbestreitbar (Ach, wäre sein Nachfolger wenigstens einen Bruchteil so innovativ gewesen!). Aber es ist nicht unplausibel, dass es da einen dunklen Punkt in seiner Vergangenheit gab. Dem nachzugehen ist nicht pietätlos. Oder hat die SPÖ Angst vor peinlichen Nachrichten während der bevorstehenden Wahlkämpfe?

Vielleicht wird in Österreich aber einfach nur mit zweierlei Maß gemessen. Man stelle sich bloß die Aufregung vor, wären bei einem konservativen, gar bei einem rechtspopulistischen Politiker – gleichgültig, ob lebend oder tot – Hinweise auf ein Fehlverhalten, eine mögliche kriminelle Handlung aufgetaucht. Hätten Medien dahinter auch „Komplott“ und Verschwörung vermutet? Oder wäre eine (Vor-)Verurteilungshysterie ausgebrochen? Man darf vermuten: eher Letzteres. (Bericht: Seite 5)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2009)

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