Der schwache Euro als "süßes Gift" für Österreich

Die Presse (Clemens Fabry)
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Deutschlands Wirtschaft wächst doppelt so schnell wie die österreichische. Nur der schwache Euro und das billige Öl bewahren das Land kurzfristig vor der Rezession.

Lange Jahre galten die Österreicher als die besseren Deutschen. "Wir" priesen uns nicht nur als die gemütlicheren Menschen, sondern auch als die wirtschaftlich erfolgreichere Variante der steifen Nachbarn im Norden. Und eine Zeit lang hatten wir damit sogar recht. Doch diese Zeiten sind vorbei. Während die Deutschen einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen feiern und steigende Einkommen erwarten dürfen, sind hierzulande so viele Menschen ohne Job wie nie zuvor. Und auch wer ein Gehalt überwiesen bekommt, musste zuletzt reale Einbußen hinnehmen. Die deutsche Wirtschaft wird heuer doppelt so schnell wachsen wie die österreichische. Wie konnte das passieren?

Eines vorneweg: Auch die heimische Industrie hat die Zeichen der Zeit erkannt. Der schwache Euro und das billige Rohöl ringen den Unternehmen im aktuellen Konjunkturbarometer der Industriellenvereinigung zumindest einen positiven Blick auf die Gegenwart ab. Doch während die Deutschen damit rechnen, dass es in den kommenden Monaten immer besser wird, haben Österreichs Unternehmen daran berechtigte Zweifel.

Österreicher ohne Geld und Vertrauen

Dabei wären alle Zutaten für einen Aufschwung vorhanden, sagt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung. Die Kosten sind niedrig, die Erträge passabel, die Lager nicht allzu voll. Firmen könnten also investieren und die Menschen eigentlich auch. Das Gegenteil ist der Fall: Im Gegensatz zu Deutschland entwickelt sich die Binnennachfrage in Österreich schwach. Die deutschen Bruttoanlageinvestitionen lagen zuletzt bei rund 118 Prozent des Wertes aus 2005. In Österreich waren es 104 Prozent.

Die Gründe dafür? Die Österreicher haben schlichtweg nicht mehr das notwendige Kleingeld, um zu investieren und die Unternehmen trauen sich nicht. In den vergangenen Jahren konnten die Österreicher ihre Reallohnverluste beim Einkauf noch halbwegs kaschieren, weil sie an die Reserven gegangen sind. Heute liegt die Sparquote nahe dem historischen Minimum. Eine ernst gemeinte Steuerreform könnte Abhilfe schaffen. Anders als in Deutschland steht aber etwa die Abschaffung der kalten Progression hierzulande nicht auf der politischen Agenda. Die Unternehmen wiederum halten sich trotz hoher Liquidität zurück, weil sie das Vertrauen in den Standort Österreich ein Stück weit verloren haben. Wirklich verlässlich sind Bund, Länder und Gemeinden hierzulande nur bei der Bekämpfung der Deflation – mit steigenden Gebühren und Abgaben.

Dieselben Gründe sind es auch, warum der schwache Euro in Österreich nicht den Konjunktur-Turbo zünden wird, der allseits erwartet wird. Die zwanzig Prozent, die der Euro zuletzt gegenüber anderen wichtigen Währungen verloren hat, sollten die Exporte eigentlich so weit verbilligen, dass die Konjunktur um 0,5 Prozentpunkte besser ausfallen könnte, schätzt Helmenstein. In Österreich wird davon bestenfalls die Hälfte ankommen, weil Konsumenten und Unternehmen das Vertrauen fehlt, um große Investitionen zu tätigen. Statt eines Wirtschaftswachstums von 1,5 Prozent, wie es die Deutschen für 2015 erwarten, wird Österreich vermutlich bei 0,75 Prozent liegen bleiben. Und das, obwohl Deutschland das Plus bei den Exporten fast zur Gänze an seine Vorlieferanten wie Österreich weitergibt.

Auch Deutschland ist nicht immun

Mittelfristig ist der Schwenk zu einer Weichwährungspolitik aber "süßes Gift für Europa", so der Ökonom. Exportieren sich die europäischen Waren dank des niedrigen Preises quasi von selbst, gibt es keinen Grund mehr für die Unternehmen, mit besonderer Innovation und Kreativität zu punkten und sich so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Was dann passiert, hat das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rekonstruiert: Vor einigen Jahrzehnten gab es in Europa zwei starke Industrie-Cluster. Einer umfasste Frankreich und Italien, einer die deutschsprachigen Länder. Während sich Deutschland (und Österreich) eine harte Währung verordneten, versüßten Frankreich und Italien ihren Unternehmen den Wettbewerb mit Währungs-abwertungen. Heute ist von der italienisch-französischen Achse de facto nichts mehr übrig. Auch sie „umkreisen“ nun Deutschland und haben den stabilen Anker Europas zu ihrem Haupthandelspartner gemacht, so das IW. Immun gegen das süße Gift der weichen Währung sind aber auch Deutschland und Österreich nicht.

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