Der am Mittwoch aufgetauchte Stapo-Akt entlastet Helmut Zilk nicht, sagt der Historiker Stefan Karner.
Wien/Prag(pri). Der Grazer Zeithistoriker Stefan Karner sieht den am Mittwoch im Staatsarchiv aufgetauchten Staatspolizei-Akt über Helmut Zilk bloß als „Teil eines großen Puzzles“, das noch lange nicht fertig gestellt sei. Die Unterlagen bestätigen die Kontakte des verstorbenen Wiener Altbürgermeisters zum tschechoslowakischen Geheimdienst – er wird darin allerdings nicht als Agent, sondern als „Informator“ bezeichnet.
Karner kann noch nicht sagen, ob die Unterlagen Zilk entlasten: „Wir kennen jetzt den Stapo-Akt und maximal ein Drittel des tschechischen Aktes. Nur: Solange wir nicht alles haben, kann ich als Historiker keine Aussage treffen.“
Fakt sei, dass tschechische (und russische) Geheimdienstler „die eigenen Leute“ nie als Agenten tituliert hätten, erklärt der Zeithistoriker im Gespräch mit der „Presse“. Das Wort „Informator“ stand im Tschechischen für „Kundschafter“ – also für „jemanden, der zwar nicht beim Geheimdienst angestellt war, aber regelmäßig abgeschöpft wurde“.
Unter dem Codenamen „Fall Mittwoch“ ermittelte die Staatspolizei 1968/1969 gegen ein Dutzend in Wien enttarnter Agenten. Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, fassten die Beamten auch ihre nun aufgetauchten Erkenntnisse über den späteren Wiener Bürgermeister in einem Resümee zusammen. Die Spionageaffäre war dann auch Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Nationalrat – Zilk hatte damit aber nichts zu tun.
Kein bilaterales Problem
Für Tschechien stellen die wieder virulent gewordenen Spionagevorwürfe gegen Zilk kein bilaterales Problem mit Österreich dar, wie der stellvertretende Außenminister, Tomas Pojar, am Donnerstag in Prag versicherte. Die Angelegenheit sei für die Regierung kein Thema, zumal ohnehin nur weitere „Nuancen“ bekannt geworden seien.
Meinung, Seite 31
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2009)