Strasser statt Karas: EU-Ticket für Exminister

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Parteichef Pröll brüskierte seinen Delegationsleiter in Brüssel. Denn Othmar Karas hatte fix mit seiner Nominierung gerechnet. Der frühere Innenminister Strasser gilt als Ansage gegen rechts.

WIEN. „Grüß Gott, ich freue mich, Sie wiederzusehen.“ Mit diesen Worten stellte sich Ernst Strasser Donnerstag nach dem ÖVP-Parteivorstand den Journalisten. Vor einem Jahr hätte er das Angebot noch nicht angenommen. „Aber die Welt stellt sich gerade neu auf.“

Da sei wirtschaftspolitischer Hausverstand gefragt. „Ich will das, was uns die Menschen sagen, zum Programm machen.“ Auch eine Volksabstimmung? „Auch. Alles“, meinte Strasser ein wenig kryptisch. Später präzisierte ein Sprecher: An der ÖVP-Linie ändere sich nichts. Es könne nur EU-weite Volksabstimmungen geben.

Einstimmig gewählt

Die Wahl Strassers im Parteivorstand erfolgte ohne Gegenstimme. Es gab allerdings zwei Enthaltungen: von Othmar Karas und Maria Rauch-Kallat. Karas tat im Parteivorstand auch seine Enttäuschung darüber kund, nicht auf Platz eins gereiht worden zu sein. Die Mitglieder des Parteivorstands versicherten Karas der Reihe nach, wie sehr sie seine Arbeit zu schätzen wüssten.


ÖVP-Chef Josef Pröll sieht in seiner EU-Liste eine gelungene Mischung aus alten und neuen Kandidaten: Ernst Strasser auf Platz eins (neu), Othmar Karas auf Platz zwei (alt), die Grazer Anwältin Helga Ranner (neu) auf Platz drei, Richard Seeber (alt) auf Platz vier, Paul Rübig (alt) auf Platz fünf, die Jungbauern-Chefin Elisabeth Köstinger (neu) auf Platz sechs und Hubert Pirker auf Platz sieben (alt).

Karas rechnete fix mit Nominierung

Othmar Karas, der langjährige EU-Parlamentarier und Delegationsleiter der ÖVP-Fraktion in Brüssel, hatte fix damit gerechnet, dieses Mal als Spitzenkandidat nominiert zu werden. Noch am Dienstag ließ er in einem Internet-Newsletter keinen Zweifel daran, dass er sich als Nummer eins seiner Partei für Europa sieht. Einen Tag später, nur einen Tag vor der offiziellen Verkündigung des ÖVP-Teams sah dann alles anders aus. Am späten Mittwochabend setzte Josef Pröll endlich auch Karas darüber in Kenntnis, was in der ÖVP praktisch alle wussten: Er wird nicht die Nummer eins der Volkspartei sein.

Karas nicht mehr Deligationsleiter

Und was noch schlimmer ist: Karas wird auch nicht mehr Delegationsleiter seiner Partei – und das, wo er einst schon unter der Quereinsteigerin Ursula Stenzel gelitten hatte, die ihm 1996 vor die Nase gesetzt worden war. Diesmal muss er sich zwar mit keinem politischen Newcomer anfreunden, wirkliche Erfahrung in Brüssel hat Ex-Innenminister Ernst Strasser aber auch nicht – sieht man von der Teilnahme an EU-Ministerräten ab.

Abfuhr von Quereinsteigern

Doch auch Strasser muss sich mit dem Image herumschlagen, für diese Wahl nur zweite Wahl gewesen zu sein. Die längste Zeit war in der ÖVP mehr oder weniger öffentlich über einen glamourösen EU-Kandidaten aus Film, Funk und Fernsehen spekuliert worden. Der Parteichef holte sich aber eine Abfuhr nach der anderen. Auf der Wunschliste soll neben den ORF-Journalisten Ingrid Thurnher, Roland Adrowitzer und Eugen Freund auch der frühere ntv-Chef Helmut Brandstätter gestanden sein.
Dass Strassers Name so lange geheimgehalten wurde, lag nicht nur daran, dass einzig der innerste Kreis um Parteichef Pröll informiert war. Der Name des Ex-Innenministers wäre den wenigsten in der ÖVP in Verbindung mit Europa eingefallen. Nun rätselt man, was Pröll zu dieser Entscheidung motiviert hat.

NÖ-Connection gegen rechts

Die Niederösterreich-Connection allein wird es nicht gewesen sein. Strasser wird viel eher als Ansage nach rechts gesehen, um der FPÖ potenzielle Wähler abspenstig zu machen.
Der ÖVP werden in Umfragen beste Chancen eingeräumt, der SPÖ Platz eins in Europa wieder abspenstig zu machen. Das war erst einmal, nämlich 1996, der Fall. Der Vorteil der ÖVP liegt laut Meinungsforschern darin, dass sie als einzige Partei ein klares Pro-Europa-Profil entwickeln konnte. SPÖ und Grüne versuchen sich als kritische EU-Befürworter zu positionieren.

Die FPÖ, das BZÖ und Hans-Peter Martin (so der Letztgenannte überhaupt antritt) sind klare EU-Kritiker.
Die SPÖ hat erst am Mittwoch ihre Liste präsentiert. Auch SPÖ-Chef Werner Faymann suchte lange Zeit nach einem Quereinsteiger. Seine Wahl fiel schließlich aber doch auf den erfahrenen, langjährigen EU-Parlamentarier und Vize-Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten, Hannes Swoboda.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2009)

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