Neue Arbeitszeiten in Wiens Spitälern

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Ärzte, Gewerkschaft und Stadt einigten sich über ein Ärzte-Arbeitszeitmodell. Grundgehälter werden angehoben, Nachtdienste reduziert – dafür wird der Nachmittag besser genutzt.

Wien. Der Verhandlungsmarathon zwischen Stadt Wien, Ärzteschaft und Gewerkschaft dauerte bis in die Morgenstunden: Donnerstagvormittag wurde dann von den leicht übermüdeten Verhandlern ein Abkommen über ein neues Arbeitszeitmodell für Ärzte in den Wiener städtischen Spitälern präsentiert. „Das ist der größte Veränderungsprozess der vergangenen Jahre“, sagte Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely euphorisch. Die Vereinbarung sieht im Wesentlichen eine Umschichtung der Arbeitszeit von der Nacht auf den Nachmittag bei gleichzeitiger Erhöhung der Grundgehälter vor.

1 Warum ist jetzt doch noch ein Abkommen zustande gekommen?

Seit Jahren fordern Experten und Opposition Strukturreformen für die Wiener Spitäler. Doch Druck kam erst durch die EU: Eine neue EU-Richtlinie für die Arbeitszeiten von Spitalsärzten hätte eigentlich schon per 1.Jänner 2015 umgesetzt werden sollen. In Wien wurde vonseiten des Betreibers der städtischen Spitäler, dem KAV (Krankenanstaltenverbund), eine Übergangsregelung getroffen. Die gestern erzielte Einigung wird ab 1.Juli des Jahres gelten.

2 Ist auch das AKH von dem neuen Arbeitszeitmodell betroffen?

Nein. Das Allgemeine Krankenhaus Wien untersteht dem Bund; die nächste Verhandlungsrunde der AKH-Ärzte ist für Montag anberaumt. Noch nicht abgeschlossen sind auch die Verhandlungen mit den Ordensspitälern und dem Hanusch-Krankenhaus.

3 Ein Eckpunkt ist die Umschichtung der Arbeitszeit. Was bedeutet das?

Bisher war die Arbeitszeit in den Spitälern so geregelt, dass der Nachtdienst bereits um 13 Uhr begonnen hat. In Zukunft wird die Tagesarbeitszeit von 7 bis 19 Uhr gehen, dann erst der Nachtdienst beginnen. Damit solle der Nachmittag besser ausgelastet werden, heißt es. Das kann bedeuten, dass Ambulanzen länger offen haben, oder dass OP-Räumlichkeiten am Nachmittag genutzt werden und damit auch die teuren Geräte besser ausgelastet sind. Die Details dazu werden erst ausgearbeitet.

4 Wie autonom sind die einzelnen Spitalsabteilungen?

Im Gesundheitsressort wird betont, dass die Abteilungen große Selbstständigkeit haben werden, wie sie diese Umstrukturierung durchführen. Wenn die Abteilungen ihre Diensteinteilungen selbst machen können, dürfte auch das Thema Privatpraxen von Spitalsärzten (oft am Nachmittag) leichter zu lösen sein. In Wien gibt es – im Gegensatz zu anderen Ländern – kein Nebenbeschäftigungsverbot.

5 Wie sehen die Änderungen im Gehaltsschema konkret aus?

Die Grundgehälter werden deutlich erhöht – zwischen 19 und 29Prozent. Das heißt, Turnusärzte verdienen künftig 3400 bis 4000Euro, Fachärzte 5200 bis 7900Euro. Die Erhöhung geht in zwei Etappen – die ersten 70Prozent der Erhöhung gibt es ab 1.Juli 2015, die zweite Erhöhung mit den restlichen 30Prozent am 1.Jänner 2017.

6 Was bedeutet die Regelung für die Nachtdienste?

Die 25-Stunden-Dienste waren einerseits sehr anstrengend, bei vielen aber auch beliebt, weil man so gut verdienen konnte. Das wird jetzt anders. Durch die Verschiebung mancher Leistungen in den Nachmittag soll die Zahl der Nachtdienste um ein Drittel reduziert werden. Diese werden dann auch anders als bisher entlohnt (kleine Pauschale). Notwendige Nachtdienste werden weiter gemacht (z.B. Notfall), bei anderen (etwa Augen, Orthopädie) soll reduziert werden. Grundsätzlich, so Wehsely, könnte nur mehr in Ausnahmefällen auf die sogenannte Opt-out-Variante zurückgegriffen werden. Diese erlaubt es Ärzten mit ihrer Zustimmung, weiterhin mehr als 48Stunden pro Woche zu arbeiten.

Für Jung- und Turnusärzte gibt es einen speziellen Schwerpunkt in der Vereinbarung. Sie bekommen ein eigenes Gehaltsschema und eine Gehaltsanpassung zwischen 24 und 29 Prozent. Weiters sollen Ärzte in Ausbildung Prüfungsurlaub bekommen.

Reformkosten: 47 Mio. kommen aus Dienstumschichtungen, 19,9 Mio. schießt die Stadt extra zu.

7 Kann die Vereinbarung noch gekippt werden?

Bis März werden noch die Details ausgearbeitet. Dann wird das Arbeitszeitgesetz im Landtag beschlossen. Die Beschlüsse müssen aber noch Gremien in der Personalvertretung und der Ärztekammer durchlaufen und angenommen werden. Da aber bei den nächtlichen Verhandlungen und auch bei der öffentlichen Präsentation des Ergebnisses am Donnerstag sowohl der Wiener Ärztekammer-Präsident, Thomas Szekeres, als auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Christian Meidlinger, dabei waren, dürfte das beschlossene Modell starke Rückendeckung haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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