Haftungen: Schwarze Löcher auch in den Gemeinden

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Welche Risken schlummern in Gemeinden? Die Zustände sind besser als in den Ländern – aber nur offiziell.

Wien. Bund, Länder und Gemeinden haben sich verpflichtet, ihre Haftungen zu beschränken – auf Weisung der EU. Damit soll für Transparenz und Budgetdisziplin gesorgt werden, ein Debakel wie bei der Kärntner Hypo soll sich nicht mehr wiederholen können.

Wie es mit den Haftungen der Bundesländer aussieht, hat „Die Presse“ in ihrer Freitagausgabe berichtet. Nämlich düster. Die Haftungsgrenzen wurden 2012 um bis zu 9000 Prozent (Kärnten) überschritten, Wien ignorierte 2012 die Risiken der ausgelagerten Betriebe und rechnete 8,17 Milliarden Euro Bankenhaftung nicht als Haftung. Und das will die Opposition im angelaufenen Wien-Wahlkampf nun nützen: „Nach den Frankenkrediten wurde Rot-Grün wieder bei einem dreisten Verschleierungsversuch ertappt“, polterte Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka, der am Freitag als Reaktion auf den „Presse“-Bericht einen finanzpolitischen Wechsel in Wien forderte.

Nur: Wie sieht es eine Stufe unter den Ländern aus – auf der Ebene der Gemeinden? Auch darauf liefert der vertrauliche Rechnungshofbericht eine Antwort.

Auf den ersten Blick scheinen die Gemeinden als Musterknaben. Im Gegensatz zu den Ländern hielten sie ihre Haftungsgrenzen (8,442Milliarden Euro) ein. Auf dem Papier. Denn auf den zweiten Blick zeigt sich eine Intransparenz und Bilanzierungswillkür wie auf Landesebene: Jedes Bundesland schrieb Gemeinden eine andere Haftungsobergrenze vor, womit Transparenz oder eine Risikoeinschätzung unmöglich wurden.

Gemeinden im Burgenland, Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg sind neue Haftungen verboten, wenn sie bereits 50Prozent ihrer Jahreseinnahmen als Haftungen „draußen“ haben. In Kärnten geht deutlich mehr. Dort dürfen Gemeinden mit 120 Prozent ihrer Einnahmen haften. Darüber liegen noch Oberösterreich (150Prozent) und die Steiermark. Dort darf eine Gemeinde eine viermal so hohe Haftung eingehen wie eine burgenländische Gemeinde.

Der Vorwurf, dass steirische Gemeinden am kräftigsten zocken dürfen, geht ins Leere. Weil für Gemeinden in jedem Bundesland unterschiedliche Regelungen gelten.

Risiken völlig ignoriert

Beispielsweise hatte Oberösterreich seinen Gemeinden die Haftungsgrenze nur für die Kernhaushalte vorgeschrieben. Die Risiken in ausgelagerten Betrieben wurden völlig ignoriert.

Nicht viel besser war es im Burgenland, in Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Dort wurden die bestehenden Haftungen nur teilweise angerechnet. Gemeinden in Salzburg, Tirol und Vorarlberg ignorierten überhaupt ihre Bankenhaftungen. Erst durch diese „kreative“ Berechnungsmethode konnten die Gemeinden ihre Haftungsgrenzen auf dem Papier einhalten, hält der Rechnungshof sinngemäß fest. Und er konstatiert: Die Aussagekraft über die Risiken, die laut Stabilitätspakt in den österreichischen Gemeinden schlummern, ist gleich null. Warum die Länder die Gemeinden nicht gestoppt haben? Einerseits, weil die Länder ähnlich agieren (es gibt österreichweit keine einheitlichen Vorgaben). Andererseits, weil die Länder 2012 keine Ahnung hatten, wie es in ihren Gemeinden aussieht – weil es kein Berichtswesen gab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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