Auf dem Akademikerball: Mehr Proteste als Gäste

Dei Eröffnung des Akademikerballs am Freitag.
Dei Eröffnung des Akademikerballs am Freitag.APA/FPÖ/ROBERT LIZAR
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Reportage. Der Wiener Akademikerball hat auch heuer wieder für lautstarke Proteste gesorgt. Doch die verbliebenen Gäste, so scheint es, schweißt das nur noch mehr zusammen.

Das Seufzen des Taxifahrers ist nicht zu überhören. „Ich habe eigentlich gehofft, heute nicht dorthin fahren zu müssen“, sagt er. Dorthin. Das ist die Hofburg. Zum Akademikerball. Ich habe das Taxi über die Zentrale bestellt. Vom angekündigten Boykott der Taxifahrer, keine Spur. "Wenn ich nicht fahre, dann fährt halt jemand anderer", erklärt der Fahrer. Ohne eine gemeinsame Lobby sei es schwierig, sich an solche Boykotts zu halten.

Wir fahren los. Die Prognosen besagen nichts Gutes. Seit mehreren Stunden laufen die Demos gegen den Ball. Die Polizei hat bereits im Vorfeld Demonstranten, die mit Bussen aus dem Ausland angereist kamen und Messer und Pyrotechnik dabei hatten, aufgehalten. Vor der Uni Wien haben sich mehrere Tausend Menschen versammelt. Aus FPÖ-Kreisen war zu hören, dass man den Ball „unbedingt“ um 18.30 Uhr erreichen soll, weil sich die Polizei nicht sicher sei, ob sie danach die Zufahrt offen halten könne. Es ist ein weiteres Aufbauschen in einer Show, die noch den ganzen Abend dauern wird.

Zufahrt: Kein Problem

Am Weg passieren wir Polizisten, die die Ausweise von Demonstranten kontrollieren, wir fahren ohne Probleme vorbei. Einmal in der Sperrzone haben wir den Ring für uns - und großes Glück. Andere Besucher, die später zum Ball kommen, werden in den Taxis zum Teil von Demonstranten eingekesselt.

Vor der Hofburg warten durchfrorene Journalisten. Bis jetzt sei kaum jemand in die Hofburg gegangen, erzählen sie. Aus einem einfachen Grund: Viele Gäste sind schon da. Wer konnte, ging schon vor dem Beginn der Demonstrationen zum Ball. Seit 17 Uhr sind die Tore geöffnet, weil vor dem Ball das Galadiner stattgefunden hat. Mit rund 40 Euro ist die Karte dafür durchaus erschwinglich. Während draußen bei den Demos die Stimmung an vereinzelten Punkten kritisch wird, essen drinnen die Besucher Lachs. Nur der Gang durch einen Metalldetektor beim Eingang, der ist neu.

Mehr Menschen draußen als drinnen

Mit zirka 1200 Gästen, so die Angaben der Polizei am Ballabend, ist die Veranstaltung für einen Hofburg-Ball trotzdem spärlich besucht. Zum Vergleich: Zum Zuckerbäckerball wenige Wochen davor kamen 3000 Gäste.

Mit 2500 Beamten sind wieder einmal mehr Polizisten auf der Straße, als Gäste in der Hofburg. Denn der Ball hat durch die Proteste durchaus gelitten. Ein älteres Ehepaar aus Bayern erzählt, dass sich einige ihrer Freunde, „den Stress bei der Zufahrt einfach nicht mehr antun wollten“. Sie sind zuhause geblieben.

Es ist kein Einzelfall, glaubt man den Aussagen der Ballgäste. Für eine Vielzahl der deutschen Burschenschafter ist der Ball längst nicht mehr interessant. Was nicht nur den Protesten zuzuschreiben ist. Mit der Übernahme der FPÖ als offizieller Veranstalter (und die Umbenennung vom WKR- zum Akademikerball) habe die Veranstaltung „einen Dämpfer bekommen“, erzählt ein Ballbesucher. In den Buden hätte es im ersten Jahr große Diskussionen gegeben, ob man den Ball überhaupt noch besuchen solle. Es sei nämlich eine Sache des Prinzips, dass man sich nicht von der Politik vereinnahmen lassen wolle, erzählt der Besucher. Auch wenn natürlich viele der Gäste trotzdem bei der Wahl ein Kreuzerl bei der FPÖ machen würden.

Frische Schnitte im Gesicht

So gehen die Gespräche den ganzen Abend. Wenn man fragt, werden einem bereitwillig Fragen beantwortet: Ja man fechte, aber der Schmiss im Gesicht sei nicht das Ziel - eher im Gegenteil. Nur: "Wenn man ihn hat, dann trägt man ihn mit Stolz", erzählt einer. Manche haben ihre Mensuren gerade erst gefochten, die Blutkruste klebt ihnen noch im Gesicht. Auffallend ist der eklatante Frauenmangel. Frauen, die ohne Begleiter im großen Saal herumstehen, werden fast automatisch zu einem Tanz aufgefordert.

Denn der Ball ist schon längst zur Show geworden, in der jeder seine Rolle spielt. Auch wir Journalisten. Draußen die wütenden Masse, die sich als Opfer der Rechten sieht, drinnen die verbliebenen Ballgäste, die der Ball noch viel mehr zusammengeschweißt hat. Wer heute noch den Ball besucht, für den ist es auch ein Statement. „Wir haben uns immer für das Recht der Demonstrationsfreiheit eingesetzt und sie (die Demonstranten, Anm.) können auch gerne gegen den Ball demonstrieren, aber nicht mit Gewalt“, sagt ein Besucher. Je mehr sie draußen protestieren, desto vehementer sieht man sich drinnen im Recht.

Vorreiter von Frauenrechten?

Dazwischen versuchen Journalisten rechtsextreme Gespräche zu belauschen. Es ist ist schwierig. Anders als in den Jahren davor, werden Medien in diesem Jahr willkommen geheißen. Schon vor Ballstart haben unzählige Zeitungen ihre Live-Ticker angekündigt. Es geistern Fotos mit Ballkleid und Ballkarte von Journalisten im Netz. Die Konkurrenz begleitet den Ring Freiheitlicher Studenten auf den Ball, dazwischen wird alles zur wertvollen Twitternachricht erklärt. Die Couleur-Mützen der Burschenschafter („Beim Jägerball geben die Kostüme mehr her"), die Reden von Festredner Christian Neschwara, der die Burschenschafter als Vorreiter von Frauenrechten bezeichnet (angesichts der fehlenden Frauen im Saal: komisch), die Ankündigung, dass der Ball auch nächstes Jahr stattfinden wird (am 29. Jänner 2016, tosender Applaus) und die Worte von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der den Besuchern gratulierte, dass sie sich nicht von den „linken Stiefelträgern“ in die Knie zwingen lassen. Die Südtiroler Schützen und die Blaskapelle begrüßte er mit den Worten: „Südtiroler, ihr seid uns ein Herzensanliegen und ein Teil unseres Herzens wurde uns entrissen“.

Keine Lust am Fremden

Es ist eine eigene Welt hier, aber soweit es das Kratzen an der Oberfläche für einen Außenstehenden zulässt, ist es keine verbotene. „Skinheads und Rechtsextreme wird man hier nicht finden“, sagt ein Besucher. Draußen vor der Hofburg würden das wohl viele anders sehen. 

Im Ballsaal präsentiert man sich anders. Hier würden jene tanzen, denen die Begeisterung für das Fremde in der eigenen Heimat fern ist und die mit Stirnrunzeln erklären, dass es nicht in Ordnung sei, wenn Frauen einem in Österreich verschleiert entgegenkommen. Wenn man genauer nachfragt, wird die Einwanderungspolitik kritisiert und die Tatsache, dass sich eine Parallelgesellschaft entwickelt hat, vor deren Auswüchsen man sich fürchtet.

Was am Ball passiert, so scheint es, kann niemanden mehr erschüttern: Bereits im Vorfeld war von Aktivisten angekündigt worden, den Ball mit dem Singen der „Internationale“, dem Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung zu stören. Was man getan hätte, wenn das passiert wäre, frage ich einen Burschenschafter? „Nichts“, sagt der. „Ich hätte lautstark mitgesungen“.

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