ÖVP-Wahllokomotive

Proell und Strasser
Proell und Strasser(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Ernst Strasser wurde zwar in Niederösterreich sozialisiert, diesmal aber nicht dort „erfunden“.

Mit seinem ersten ZiB2-Auftritt Donnerstagabend punktete er nicht, der neue ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Ex-Innenminister Ernst Strasser. Wie ein langjähriger Politikprofi kam er da nicht rüber.

Die Entscheidung für Strasser ist im Parteivorstand Donnerstagnachmittag mit nur zwei Enthaltungen gefallen. Aber es bleibt bei manchen ÖVP-Politikern leichte Skepsis zurück, auch wenn die Entscheidung des Parteiobmannes Josef Pröll ohne öffentliches Murren akzeptiert wird. Schließlich müsse man für diese Wahl erst einmal Aufmerksamkeit erzeugen, heißt es. Und genau das hatte man dem langjährigen Delegationsleiter Othmar Karas eben nicht zugetraut.

Dieser werde aber wohl auch künftig die Hauptarbeit in Brüssel erledigen müssen, meinen Parteifreunde. Strasser wird als Wahlkampflokomotive eingeschätzt, aber wird er sich vor Ort den „Mühen der Ebene“ unterziehen? Eine „Erfindung“ Erwin Prölls war der in Niederösterreich sozialisierte Strasser diesmal übrigens nicht. Im Gegenteil. Der Landeshauptmann lobte in der Sitzung demonstrativ den Niederösterreicher Karas, der nicht nur exzellent gearbeitet, sondern sich auch engagiert im Bundesland eingebracht habe.

Strasser scheint schon länger wieder an die Politik andocken zu wollen. Auch als Generalsekretär war er im Gespräch gewesen. Ein Mal schon hatte ihn die ÖVP für einen Brüsseler Job vorgeschlagen: Noch vor seinem Abgang als Innenminister 2004 waren er sowie der damalige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein als mögliche EU-Kommissare genannt worden. Doch der Kommissionspräsident wollte damals eine Frau.

Apropos Frau: Zwar wurde die parteiinterne Frauenquote von 30Prozent erfüllt. Gegen das „Reißverschlusssystem“ bei der SPÖ und die grüne Frauenpower wirkt das ÖVP-Team aber etwas antiquiert: nur eine Frau ist unter den ersten fünf auf der Liste. Die ÖVP-Frauen sind folgerichtig wenig erbaut. Dabei hatte sich Josef Pröll Mühe gegeben, eine Spitzenfrau zu finden. Aber mögliche Quereinsteigerinnen wie Ingrid Thurnher (ORF) und Ulrike Domany (Johnson & Johnson) hatten abgewinkt.

Interview S. 8, Meinung S. 33

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2009)

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