Böhmermann: „Religion und Satire passen nicht zusammen“

NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böhmermann
NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan BöhmermannZDF/Ben Knabe
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Interview. Der deutsche Komiker Jan Böhmermann wechselt mit seinem „Neo Magazin“ vom Spartenkanal ins ZDF. Er erzählt, warum er sich ungern über Religion lustig macht und wieso Österreich für ihn das „Traumland in Humordingen“ ist.

Die Presse: Ab dieser Woche wird Ihre Sendung „Neo Magazin“ nicht mehr nur im Digitalkanal ZDF neo, sondern auch im Hauptsender ZDF zu sehen sein. Ist das ZDF die Königsklasse, weil Ihre Sendung dort jetzt das Wort „royal“ bekommt?

Jan Böhmermann: Wir sind in diesem großen Schloss ZDF noch immer eher im Kellerbereich untergebracht – und das ist auch ganz gut so.


Sie spielen auf die Sendezeit um 0.15 Uhr an. Ihr Auftrag ist vor allem, junge Seher anzuziehen. Das Durchschnittsalter der ZDF-Seher liegt derzeit bei 61.

Den Auftrag, den ich aus der Sendezeit ableite, interpretiere ich so: „Macht weiter wie bisher!“ Denn wenn man uns um 0.15 Uhr programmiert, heißt das wohl, dass wir uns nicht groß an die Helene-Fischer-Welt des Senders anlehnen müssen. Die Zuseher müssen aber nicht unbedingt 21 sein. Um den Schnitt des ZDF zu senken, reicht es schon, wenn ein paar 59-Jährige zusehen.

Was wird das „Neo Magazin“ royal und anders machen?

Es gibt zwei große Änderungen: erstens ein größeres Studio. Zweitens haben wir nun eine echte Band namens Dendemann und die Freie Radikale GbRdH Lyrics. Im deutschen Fernsehen gibt es nur mehr zwei Sendungen mit einer Liveband: Stefan Raabs „TV total“ und uns.


Im Jingle vom „Neo Magazin“ ritten Sie auf einem Saurier vor einer Wand mit Zeitungsschlagzeilen. Sehen Sie sich als Medienkritiker?

Ich bin vor allem ein nicht sonderlich ernst zu nehmender, unseriöser Quatschvogel. Aber ich beschäftige mich gern mit Themen, die mich auch im Privaten interessieren. Vielleicht ist das ein Generationenunterschied: Weil wir uns an diese sogenannte erste Internetgeneration der um die 30-Jährigen wenden, bekommt die Sendung schnell einen online- und medienkritischen Einschlag.


Zuletzt machten Sie selbst häufig Schlagzeilen. Gerade zündeten Sie eine Urheberrechtsdebatte rund um die Veröffentlichung eines 20 Jahre alten Fotos an, das Sie getwittert haben, worauf Sie vom Fotografen geklagt wurden. Sie hatten Streit mit dem „Bild“-Chef, einigen YouTube-Stars und mit Campino von den Toten Hosen. Dessen Band-Aid-Lied „Do They Know It's Christmas“ haben Sie auf „Do They Know It's Scheiße“ umgedichtet. Die Medien haben das groß thematisiert – es sieht so aus, als würde man Sie doch sehr ernst nehmen.

Das ist mir aufgefallen, und ich finde das selbst erschreckend. Typisch Lügenpresse! Aber ernsthaft: Campino hat selbst angefangen. Wer so ein Lied macht im Rahmen einer so schlecht durchdachten Kampagne, darf sich nicht wundern, wenn jemand ein, zwei Fragen stellt. Das ist eine normale Auseinandersetzung im Rahmen meiner humoristischen Arbeit.


Wie viel Satire ist in einer öffentlich-rechtlichen Show beim Thema Religion und Mohammed-Karikaturen erlaubt?

Ich bin nicht der Meinung, dass „Charlie Hebdo“ die lupenreine, brillante Satire produziert hat. Natürlich sind Attentate wie die in Paris durch nichts zu rechtfertigen. Aber wenn man Mohammed-Karikaturen abdruckt, weil man weiß, es regt sich jemand auf, ist für mich der Kern von Satire nicht erfüllt. Provokation riecht nach Selbstzweck.


Haben die Anschläge in Paris Auswirkungen auf Ihre Comedy-Arbeit?

Nein. Die Haltung in Deutschland ist auch eine andere als bei „Charlie Hebdo“. Sehen Sie sich das beste Satiremagazin „Titanic“ an: Sie lehnen Religion generell ab, was völlig richtig ist, und reagieren nur punktuell auf Auswüchse von Religion und gesellschaftlichem Treiben. „Titanic“-Chefredakteur Tim Wolff hat recht, wenn er schreibt: „Religion ist Wahnsinn im Kleid der Rationalität, und Satire ist Rationalität im Kleid des Wahnsinns.“ Humor, Satire und Religion passen einfach nie zusammen. In keiner Religion. Als Mitarbeiter eines öffentlich-rechtlichen Senders weißt du das. Wenn es gegen die Kirche geht, werden schnell die Mundwinkel heruntergezogen. Da hast du schneller ein Fax mit einer Beschwerde auf dem Tisch,und der Bitte, beim nächsten Mal zu überdenken, ob so ein Witz eine gute Idee ist. Und es ist meist keine gute Idee, sondern nur einfach. Es gibt nun mal Milliarden Menschen, die glauben – und Komiker glauben an nichts, auch nicht an die Vernunft.


Gab es Beschwerden vom Sender, dass Sie sich so oft mit Prominenten anlegen?

Keine Beschwerden, aber es gibt Diskussionen. Ich bin eben kein YouTube-Star, der seinen Laptop aufklappt und allein sein Ding macht. Ich habe mich bewusst entschieden, bei einem professionellen Sender zu arbeiten, und ich mache das auch seit 15 Jahren und weiß um die Vorteile. Ich bin dankbar, dass wir ein sehr vertrauensvolles Verhältnis und für deutsche Verhältnisse einen ungewöhnlich offenen Umgang mit Humor haben. Das ZDF zeigt da fast österreichische Züge. Österreich ist ja im deutschsprachigen Raum in Humordingen ein Traumland, wenn es nicht so hügelig klein wäre.


Aber TV-Satiresendung haben wir nur eine – das ist „Willkommen Österreich“.

Aber es gibt Kabarettisten wie Josef Hader und Alfred Dorfer. Ich glaube, es ist dieser halb eingestandene nationale Minderwertigkeitskomplex von Österreich, der viel mit dem Humor macht. Österreich ist Deutschland als Humorstandort ganz klar überlegen.


Vermissen Sie eigentlich Harald Schmidt?

Hauptsächlich menschlich. Ich habe drei Jahre bei ihm gearbeitet und viel Zeit mit ihm verbracht. Seit er nicht mehr im Fernsehen ist, ist das selten geworden. Ich habe ihn kürzlich tatsächlich beim Vertrauensarzt der Film- und Fernsehversicherung getroffen. Wir hatten beide einen Pissbecher in der Hand, weil wir eine Urinprobe abgeben mussten. Ich würde mich freuen, wenn er eines Tages mal wiederkommt. Auch abseits von Urinbechern. Vielleicht in die Sendung.

Die Show

Aus dem „Neo Magazin“ wird mit 5. Februar das „Neo Magazin royal“. Nach der Erstausstrahlung auf dem Digitalkanal ZDF neo Donnerstag, 20.15 h, läuft die Sendung Freitagnacht um 0.15 h im ZDF. Jan Böhmermann, Jahrgang 1981, hat seine Karriere 1997 als Journalist begonnen, wurde später Radiomoderator und macht seit 2004 Comedy in Fernsehen und Radio. Von 2011 bis 2014 war er im Team der „Harald Schmidt Show“, moderierte 2012 mit Charlotte Roche die Talkshow „Roche und Böhmermann“, die sehr abrupt eingestellt wurde, und seit Oktober 2013 allein das „Neo Magazin“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)

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