Wechselkurs: Franken treibt Schweiz in Rezession

Schweizer Franken Beendigung des Franken Mindestkurses zum Euro
Schweizer Franken Beendigung des Franken Mindestkurses zum Euro(c) imago/Christian Ohde (imago stock&people)
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Durch die starke Währung bricht die Industrie ein. Das Ende des Mindestkurses erwischte die Firmen kalt. Die Nationalbank macht offenbar wieder Stützungskäufe – inoffiziell.

Wien. Der Blick nach vorn lässt nichts Gutes vermuten: Die Einkäufer der Schweizer Industrie melden den stärksten Einbruch seit dem Höhepunkt der Finanzkrise Ende 2008. Auftragsbestand und Produktion sinken deutlich. Die Firmen bauen Lager ab, kaufen weniger ein und fangen an, Mitarbeiter zu kündigen – das alles unter dem unmittelbaren Schock des massiv erstarkten Franken. Der Einkaufsmanagerindex der Großbank Credit Suisse sank im Jänner um 5,3 Punkte auf 48,2. Werte unter 50 kündigen eine Rezession an.

Die Schweizer Industrie hängt stark von Exporten ab. Sie fakturiert die Hälfte ihrer Umsätze in Euro (39 Prozent) oder Dollar (elf Prozent). Die Nationalbank SNB hatte Mitte Jänner völlig überraschend die künstliche Kursuntergrenze von 1,20 Franken für einen Euro aufgegeben. Dadurch wertete die Schweizer Währung schlagartig um rund 18 Prozent auf. Bleibt es dabei, verlieren die Firmen laut Hochrechnung heuer 31Mrd. Franken. Freilich kaufen sie auch billiger ein: 45 Prozent der Materialien und Vorprodukte bezahlen sie in Euro, zehn Prozent in Dollar. Damit sparen sie hochgerechnet 13 Mrd. Franken. In Summe bleibt ein Kursverlust von 18 Mrd. Franken, was drei Prozent der nominalen Wertschöpfung der Schweiz entspricht.

Dieser scharfe Gegenwind hat die Unternehmen kalt erwischt. Fast niemand rechnete mit einem baldigen Ende der Notenbank-Interventionen. Nur jedes fünfte Unternehmen sicherte sich (etwa mit Devisenoptionen) gegen eine Aufwertung ab. Nun aber geht eine knappe Mehrheit von 52 Prozent davon aus, dass sie noch zumindest ein Jahr lang mit einem Kurs nahe der Parität leben müssen.

Das ist ein klares Misstrauensvotum gegen Thomas Jordan. Der SNB-Chef wurde nach der umstrittenen Entscheidung nicht müde zu betonen: Die Kursausschläge seien übertrieben, der Franken aktuell stark überbewertet, und der Spuk werde bald ein Ende haben. Allein, es änderte sich nicht viel. Erst in den letzten Tagen schwächte sich der Franken leicht ab, auf knapp über 1,05 für einen Euro.

(C) DiePresse

Korridor von 1,05 bis 1,10

Prompt munkelte man auf den Devisenmärkten, die SNB kaufe wieder klammheimlich Euros und Dollars, um den Kurs zu stabilisieren. Die „Schweiz am Sonntag“ meldete aus „gut informieren“ SNB-Kreisen, die Währungshüter hätten einen Korridor von 1,05 bis 1,10 Franken pro Euro festgelegt. Den wolle sie nun verteidigen, wofür sie bis zu zehn Mrd. Franken an Verlusten in Kauf nehme.

Was ist da dran? Offiziell lassen sich die Notenbanker nur entlocken, dass sie „grundsätzlich bereit“ sind, wieder zu intervenieren. Dass sie es tatsächlich wieder tun, dafür gibt es ein starkes Indiz: Die Guthaben der Geschäftbanken bei der Notenbank sind zuletzt deutlich gestiegen, und das, obwohl die Institute dafür nun einen erhöhten Strafzins von 0,75 Prozent zahlen müssen. Devisenkäufe der SNB müssen über das Bankensystem erfolgen, dazu braucht es vorübergehend erhöhte Bestände. In der Vorwoche wuchsen sie im Schnitt um knapp 18 Mrd. Franken an. Schon in der Woche, in der am Mittwoch die Mindestgrenze fiel, waren es 26 Mrd. Viel spricht also dafür, dass die SNB zumindest ein „Managed Floating“ betreibt: Der Wechselkurs bildet sich zwar prinzipiell frei auf dem Devisenmarkt, doch ab und zu interveniert man dann doch.

Aber verbirgt sich dahinter ein Korridor, also fast schon wieder ein fixes Ziel? Dafür gibt es neben dem Zeitungsbericht einen politischen Hinweis: In einem Interview verriet Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, dass Jordan sie an jenem historischen Mittwoch telefonisch vorab informierte, sie also zu einem erlauchten Kreis von Eingeweihten gehört. Damit eignet sich die Politikerin und frühere SNB-Vizepräsidentin ideal dafür, öffentlich zu sagen, wozu aktuelle SNB-Mitglieder schweigen müssen.

Im selben Interview erklärte Widmer-Stumpf als erstes Regierungsmitglied: „Mit einem Kurs von 1,10 Franken pro Euro können sich die Schweizer Unternehmen arrangieren“ – was so manche als Signal deuten, dass die SNB nun genau dieses Ziel anstrebt. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2015)

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