Von Spionen und Wichtigtuern

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Wien hat sich seit der Nachkriegs-Zeit zu einer der wichtigsten Spionage-Drehscheiben entwickelt. Die Neutralität, die Lage zwischen Ost und West – und nicht zuletzt die Lebensqualität machten die Stadt für ausländische Nachrichtendienste besonders attraktiv.

Der damalige österreichische Geheimdienstchef mit dem Faible für entsprechende Inszenierung schaute sich im Café des Wiener Grand Hotels um und flüsterte: „Hier sitzen sie gerne, die CIA, der KGB und vermutlich auch der Mossad. Aber über den wissen wir nicht so viel.“ Verstohlen blickte er sich um. Zwei ältere Damen lächelten und ein junger Mann diskutierte mit seinem Vater. Spione, Agenten, Geheime?

Schwer zu sagen. Dass Wien eine der Spionagehauptstädte war und in bestimmten Bereichen noch ist, gilt als bekannt. Da war einmal die geopolitische Lage zwischen Ost und West, nicht zu vergessen die Neutralität des Landes und der Standort mehrerer internationaler Organisationen, für die jedes Land viele Vertreter schicken kann und muss, die Botschaften konnten somit gut besetzt werden – mit großzügigen Informations- und Kulturabteilungen. Und die Stadt punktete mit einem weiteren Atout, das auch jede Tourismuswerbung trommelt: der hohen Lebensqualität. Kaffeehäuser, Oper und Heurigen als beliebte Treffpunkte, die Geheimen sind da keine Ausnahme. „Wien ist eine gemütliche Stadt, gutes Essen, guter Wein“, sagt Geheimdienstexperte Siegfried Beer. Nachsatz: „Außerdem ist die österreichische Gesetzgebung sehr milde – wenn man nicht gerade gegen Österreich spioniert.“

Dazu kommt, dass die österreichischen Nachrichtendienste offenbar recht leicht zu unterwandern waren. So meinte etwa der 1968 in die USA übergelaufene tschechische Geheimdienstoffizier Ladislav Bittmann, dass einer der führenden Offiziere der österreichischen Spionageabwehr selbst ein Agent der CSSR gewesen sei. Aber wie kann man sich diese Spionage vorstellen? Geheime Treffen im Riesenrad, Verfolgungsjagden durch die Kanalisation? „Solche Treffen hat es sicher gegeben“, sagt Historiker Arnold Kopeczek, der über Geheimdienste in Österreich dissertiert hat, „aber die waren die Ausnahme“. Den Geheimdiensten ging es zum einen darum, einflussreiche Medien und Journalisten auf die jeweils eigene ideologische Seite zu bringen. So geht etwa die Gründung des „Kurier“ auf die Amerikaner zurück, auch die Kulturzeitschrift „Forum“ wurde indirekt durch die CIA unterstützt. Und in Prag wurde überlegt, die „Furche“ zu kaufen – letztlich scheiterte das Projekt am Geld.


Einheimische Informanten. Andererseits ging es natürlich auch darum, Informationen – offen oder versteckt – zu sammeln, die analysiert und zu Lagebildern zusammengesetzt werden konnten. Gerade die Ostblockstaaten, die nach dem Krieg weniger gut ausgebildete Analytiker hatten, waren vermehrt auf einheimische Informanten angewiesen, die Hintergrundmaterial lieferten. Und so spionierten die Österreicher kräftig mit – für alle Seiten.

Aufsehen erregten vor allem prominente Fälle wie jener um Margarethe Ottilinger. Die junge Sektionschefin wurde 1948 von sowjetischen Soldaten verhaftet und wegen Spionage zu 25 Jahren Haft verurteilt. Sieben Jahre verbrachte sie in sowjetischen Gefängnissen, ehe sie 1955 zurückkehren durfte. Warum sie verhaftet wurde? Eine These war, dass die Sowjets ihren Chef Peter Krauland, Minister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, damit warnen wollten. Eine andere besagt, dass jener Krauland, der gute Kontakte zu den Geheimdiensten sowohl der UdSSR als auch der USA pflegte, eine Mitwisserin loswerden wollte.

Ein weiterer prominenter Fall war jener von Anton Marek, der im Innenministerium die sogenannte „Gruppe 5“ leitete – ihre Aktivität war gegen subversive kommunistische Tätigkeiten gerichtet. Prompt wurde er von der sowjetischen Besatzungsmacht unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet. Doch neben diesen prominenten Fällen waren es ganz normale Bürger, die – ob mit Recht oder zu Unrecht – als Spione verdächtigt wurden. Von 1945 bis 1955 gab es allein von sowjetischer Seite 204 Verurteilungen wegen Spionage. Nach der Besatzungszeit sank einerseits die Zahl ausländischer Spione, andererseits änderte sich auch das Ziel der Spionagetätigkeit. Nachrichten aus Österreich verloren an Bedeutung, dafür stieg die Bedeutung Wiens als Umschlagplatz für Informationen von der jeweils anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Schließlich unterhielten die meisten westlichen Medien keine Büros in Moskau, Prag oder Warschau, sondern stationierten ihre Osteuropakorrespondenten einfach in Wien.


Auch noch die Chinesen. Der Kalte Krieg ist zwar vorbei, trotzdem ist im österreichischen Verfassungsschutzbericht zu lesen, dass Österreich seine Bedeutung als Operationsgebiet für ausländische Nachrichtendienste beibehalten hat – wenn auch der Trend weg von der Politik hin zur Wirtschaftsspionage geht. „Dass die USA und Russland immer noch präsent sind, ist anzunehmen“, sagt Experte Beer. Aber es seien auch neue dazugekommen, etwa chinesische oder andere asiatische Geheimdienste.

Dass das beschauliche Wien nicht nur Umschlagplatz von Informationen ist, war zuletzt im Jänner zu bemerken, als in Floridsdorf ein tschetschenischer Asylwerber ermordet wurde. Das Opfer soll in geheimdienstliche Aktivitäten verstrickt gewesen sein. Das passt so gar nicht ins Bild. Eher passend wirken da schon die zuletzt wieder aufgeflammten Vorwürfe gegen den ehemaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der als Informant für die CSSR gearbeitet haben soll. Informationen als Gegenleistung für einen Luster? Nun, Wien, eben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2009)

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