Waffenhilfe: Kerry vertröstet Kiew

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US-Außenminister Kerry hat bei seinem heutigen Ukraine-Besuch keine Zusage für Waffenlieferungen im Gepäck. Kiew hofft, dass Washington doch noch einlenken könnte.

Kiew/Washington/Wien. Unterstützung für die Ukraine soll der Besuch von US-Außenminister John Kerry am  Donnerstag in Kiew signalisieren. Doch wie weit geht diese Unterstützung, und schließt sie auch Waffenlieferungen ein? Kerry steht nach der Landung am Flughafen Borispol ein langer Tag voller Termine bevor. So unterschiedlich seine Gesprächspartner – Präsident Petro Poroschenko, Außenminister Pawlo Klimkin, Premier Arsenij Jazenjuk –, so eindeutig wird ihre Position zu einem Thema sein: Waffen für die Ukraine.

Militärische Unterstützung ist das Thema Nummer eins für Kiew. Und Kiew macht Druck. Am Dienstag hatte Präsident Poroschenko bei einem Besuch im nordöstlichen Charkiw erklärt, es bestehe „kein Zweifel“ an künftigen US-Waffenlieferungen – trotz des offiziellen Dementis aus dem Weißen Haus. „Der Ukraine muss geholfen werden“, sagt ein ukrainischer Diplomat zur „Presse“. „Alle verstehen den Ernst der Lage.“ Er gehe davon aus, dass das letzte Wort in der Sache „noch nicht gesprochen“ sei.

Tatsächlich dürfte das Thema nicht nur Kerrys Visite bestimmen, sondern auch die Münchner Sicherheitskonferenz, zu der er tags darauf erwartet wird. Dort werden neben der ukrainischen Regierungsriege Präsident Poroschenko und auch Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, und US-Vizepräsident Joe Biden erwartet.

In den USA mehren sich indes Stimmen, die Waffenlieferungen fordern. Am Dienstag appellierten 15 Senatoren beider Parteien an Präsident Barack Obama, panzerbrechende Waffen, Geländewagen und Radaranlagen bereitzustellen. „Leider werden Sanktionen allein Putin nicht abschrecken. Die Ukraine braucht eine unmittelbare Zufuhr wirksamer defensiver Militärausrüstung“, heißt es in dem Brief. Der designierte Verteidigungsminister Ashton Carter sagte am Mittwoch bei seiner Anhörung im Senat, er neige Waffenlieferungen zu.

Doch es ist unwahrscheinlich, dass Obama sich von diesen Zurufen oder von Papieren Washingtoner Thinktanks beeinflussen lässt. „Wir glauben nicht, dass die Antwort auf die Krise in der Ukraine ist, einfach mehr Waffen hineinzuschütten“, sagte Obamas stellvertretender Sicherheitsberater, Ben Rhodes, am Montag. Der Präsident zweifelt daran, dass die USA durch militärische Einmischung Konflikte in Übersee lösen kann – man denke an sein Zögern im Syrien-Krieg.

Jedenfalls wird Obama keine Entscheidung vor seinem Treffen mit Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, am kommenden Montag in Washington fällen. Ihre Haltung ist klar: „Deutschland wird der Ukraine keine tödlichen Waffen liefern. Wir fokussieren auf eine diplomatische Lösung“, sagte Merkel am Dienstag im Kanzleramt in Berlin.

Das Risiko, den Konflikt weiter anzufachen, ist vielen Europäern zu hoch. Die Reaktion Wladimir Putins auf einen in dem Krieg mitmischenden Westen scheint unabsehbar. Offiziell setzt auch Obama weiter – in Abstimmung mit den Europäern – vorrangig auf das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche: Sanktionen und Verhandlungen.

Die Falken von Kiew

Doch in Kiew gibt es Kräfte, die eine schnellere Entscheidung herbeiführen wollen – und in den Washingtoner Interventions-Befürwortern die besseren Verbündeten sehen als in den Brüsseler Bürokraten. „Der Glaube ist: Die Amerikaner können helfen, ohne monatelange Konsultationen in Brüssel“, sagt ein europäischer Experte in Kiew. Insbesondere Premier Arsenij Jazenjuk und seine Partei Volksfront befürworten eine militärische Lösung des Konflikts. Während Präsident Petro Poroschenko angesichts der Eskalation – in Donezk starben gestern bis zu zehn Menschen beim Beschuss eines Spitals, aus der belagerten Stadt Debaltsewo müssen Zivilisten evakuiert werden – demonstrativ für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen eintritt, wünscht sich Jazenjuk eine härtere Gangart. Auch rhetorisch legt er gern eins drauf: „Wir können uns alle sehr gut an den sowjetischen Anmarsch in die Ukraine und auf Deutschland erinnern“, erklärte er unlängst in den ARD-Tagesthemen und erntete dafür heftige Kritik. In der Konfliktregelung würden die Kiewer Falken das Genfer Format bevorzugen, das die USA ebenfalls beteiligt, und anstatt der Separatisten – Russland. In diplomatischen EU-Kreisen hält man das für kontraproduktiv: Man müsse, so heißt es, das existierende Minsker Format unter neutraler OSZE-Vermittlung reaktivieren.

Kerry hat indes auch eine Boschaft für Kiew. Er wird die Regierung zur Umsetzung ihres Reformprogramms ermahnen, das angesichts des Krieges nicht vorwärtskommt. Der US-Botschafter in der Ukraine, Jeffrey Payette, warnte Poroschenko und Jazenjuk unlängst in einem Interview mit der Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“, sich nicht wie ihre Amtsvorgänger, Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko, in fatale Machtkämpfe zu verstricken. Die Umsetzung von Reformen in den Bereichen Wirtschaft, Energie und Anti-Korruption sei für das Land eine „Überlebensfrage“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)

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