Geschichten um abenteuerlustige Frauen scheinen heuer einen Schwerpunkt zu bilden. Zur Eröffnung bereist Juliette Binoche in „Nobody Wants the Night“ die Arktis.
Rund um den Potsdamer Platz herrscht reges Treiben, der rote Teppich vor dem umgebauten Musicaltheater ist ausgerollt, Paparazzi stehen Spalier mit einem Kribbeln in den Fingern – die 65. Berlinale hat begonnen. Die kürzlich erfolgte Ankündigung, der chinesische Künstler und Dissident Ai Weiwei würde während des Festivals live und per Fernregie einen Berlin-Kurzfilm mit Til Schweiger drehen, ist emblematisch für die Filmfestspiele unter der Intendanz von Dieter Kosslick, die kürzlich bis 2019 verlängert wurde: Einerseits gibt man sich bei Programmgestaltung, Preisvergabe und Publicity betont politisch, aber der Promi-Glamour darf dabei nie zu kurz kommen. Auch dieses Jahr werden wieder zahlreiche Filme Wasser auf die Diskursmühlen schütten, etwa das neue Protestwerk des im Iran mit Berufs- und Ausreiseverbot belegten Regisseurs Jafar Panahi – doch der Fokus liegt auf Berühmtheiten wie Christian Bale, Nicole Kidman und Robert Pattinson, die hier sind, um für ihre jeweiligen Wettbewerbsfilme die Werbetrommel zu rühren.
Darunter finden sich künstlerisch durchaus vielversprechende Titel: Bale ist neben Cate Blanchett und Natalie Portman in „Knight of Cups“, dem neuen Bildpoem des öffentlichkeitsscheuen Ausnahmeregisseurs Terrence Malick zu bewundern; dieser gewann 1999 bereits einen Goldenen Bären mit seinem Kriegsepos „Der schmale Grat“ und wird dieses Jahr persönlich erwartet. Kidman wiederum spielt in Werner Herzogs „Queen of the Desert“ an der Seite von Pattinson und James Franco die britische Forschungsreisende und Diplomatin Gertrude Bell. Österreicher laufen keine im Hauptbewerb, dafür in den Nebenschienen: Im „Panorama“ ist Peter Kern mit seinem Dekadenz-Drama „Der letzte Sommer der Reichen“ vertreten, das „Forum“ zeigt Nikolaus Geyrhalters Langzeitdoku „Über die Jahre“ und „Superwelt“ von Karl Markovics. Zudem kommt die Retrospektive, die dem Hollywoodkino in Technicolor gewidmet ist, im April nach Wien ins Filmmuseum.
Heute Donnerstag beginnt die 65. Berlinale. Das renommierte Filmfestival wird mit dem Grönland-Drama "Nobody Wants the Night" von Regisseurin Isabel Coixet eröffnet. 19 Filme rittern um die großen Preise, den Goldenen und die Silbernen Bären. DiePresse.com stellt Ihnen die Wettbewerbsfilme, darunter Werke von Werner Herzog, Terrence Malick und Peter Greenaway vor: (c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE) "Nadie quiere la noche - Nobody wants the Night"Grönland 1908. Josephine (Juliette Binoche), die eigensinnige, wagemutige Frau des Polarforschers Robert Peary, bricht auf eine gefährliche Reise auf. Sie will ihren Mann auf dessen Nordpol-Expedition treffen und schlägt alle Warnungen vor dem hereinbrechenden Winter in den Wind. Einmal bei dessen Basislager angekommen, weigert sie sich umzukehren. Einzig die junge Inuitfrau Allaka bleibt, um mit ihr zu überwintern. Die Nähe in Enge und Kälte schweißt die beiden Frauen zusammen und lässt sie erkennen, das sie einiges gemeinsam haben. Regisseurin Isabel Coixet ist mit ihrem Film "Nadie quiere la noche" bereits das siebente Mal auf der Berlinale vertreten. (c) Berlinale "Knights of Cup"Regisseur Rick (Christian Bale) lebt mit und für das System Hollywood - bis ihn die Leere seines Lebens übermahnt und er daraus auszubrechen versucht. Auf der Suche nach sich selbst trifft Rick auf außergewöhnliche Persönlichkeiten. Wie die Titel gebende Tarotkarte, der Knights of Cup, ist Rick ein Vielseitiger, Wandelbarer - einmal versucht er sich als Künstler, einmal als Romantiker und Abenteurer. Regisseur Terrence Malick ("The Thin Red Line", "The Tree of Life") nutzt dieses Motiv, um die Odyssee einer durchtriebenen Figur zu verfolgen, die sich auf der Suche nach der Liebe und dem Lebenssinn befindet. (c) Berlinale "Ixcanul"Das 17-jährige Maya-Mädchen María (María Mercedes Croy), soll gegen ihren Willen mit dem Vorarbeiter der heimischen Kaffeeplantage verheiratet werden. Regisseur Jayro Bustamante, der selbst in in Guatemala in der Region der Kakchiquel Mayas aufwuchs, erzählt in seinem Film über das heutige Leben indigener Kulturen. María will die Welt jenseits der Maya-Kultur entdecken und so verführt sie einen mittellosen Kaffeepflücker. Dieser soll mit ihr in die USA flüchten. Doch ihre Pläne laufen schief: er lässt sie einfach in ihrer Heimat zurück. Nun muss das Mädchen die Werte und Kultur ihrer Familie neu für sich entdecken. (c) Berlinale "Eisenstein in Guanajuato"Der britische Regisseur Peter Greenway verfilmte die wahre Reise des russischen Regisseurs Sergei M. Eisenstein nach Mexiko im Jahre 1930. Dieser war mit seinen Revolutionsfilmen "Panzerkreuzer Potemkin" (1925) und "Oktober" (1928) international berühmt geworden. In der titelgebenden mexikanischen Stadt Guanajuato will er nun mit Hilfe privater amerikanischer Geldgeber seinen nächsten Film vorbereiten, der jedoch nie vollendet werden sollte. (c) Berlinale "Queen of the Desert"Regisseur Werner Herzog erzählt in "Queen of the Desert" das Leben einer außergewöhnlichen Frau, die durch ihr Wirken die politischen Geschicke im Nahen Osten zur Zeit des Ersten Weltkriegs mitbestimmte. Die 1868 geborene Britin Getrude Bell (Nicole Kidman), ihres Zeichens Historikerin, Schriftstellerin und Angehörige des britischen Geheimdienstes, entsagt nach einer unglücklichen Liebschaft ihrem Privatleben. Von da an setzt sie sich als Vermittlerin zwischen den Fronten ein. (c) Berlinale "El Club"An der chilenischen Künste lebt eine Gruppe von Priestern gemeinsam in einem Haus zusammen und geht in Stille ihrem geistigen Leben nach. Als sich ein neue dazu gestoßener, junger Priester mit schweren Vorwürfen konfrontiert sieht, nimmt er sich das Leben. Die katholische Kirche schickt daraufhin einen Ermittler, der Licht in die Vergangenheit des Geistlichen bringen soll. Regie führte Pablo Larraín, dessen Film über die chilenische Militärdiktatur unter Augusto Pinochet, "No!",2012 für den Auslands-Oscar nominiert wurde. Im Drama "El Club" beschäftigt er sich diesmal mit den totgeschwiegenen Missbrauchsfällen und der dunklen Vergangenheit der katholischen Kirche. (c) Berlinale "Als wir träumten"Leipzig der Nachwendezeit: Eine Clique von vier Burschen lebt in den Tag hinein, versucht mit Alkohol und härteren Drogen der Hoffnungslosigkeit des Alltags zu entkommen und hängt gleichzeitig großen Zukunftsplänen und Träumen nach. Als sie einen eigenen Club aufmachen, geraten sie in das Visier einer Neo-Nazi-Bande. Regisseur Andreas Dresen, der für seinen Film "Halbe Treppe" 2002 den Silbernen Bären der Berlinale gewann, verfilmte mit "Als wir träumten" den Debutroman des gebürtigen Leipzigers Clemens Meyer. Gemeinsam mit dem bekannten Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase bereitete der Autor sein Buch filmisch auf. (c) Berlinale "Victoria" In einer Berliner Club trifft die junge Spanierin Victoria auf vier Freunde, die sich bei ihr als Sonne, Boxer, Blinker und Fuß vorstellen. Schnell entspinnt sich ein Flirt mit einem aus der Gruppe. Und ehe sich Victoria versieht, sitzt sie am Steuer eines Fluchtwagens. Der unüberlegte Coup, der als unüberlegtes Spiel begann, wird schnell zur dramatischen Tour de Force. Regisseur Sebastian Schipper nimmt den Zuseher mit durch eine atemlose Nacht durch die Häuserfluchten und Hinterhöfe Berlins. (c) Berlinale "Body"Der Untersuchungsrichter Janusz (Janusz Gajos) brilliert in seinem Beruf, nichts kann ihn so schnell aus der Fassung bringen. Im privaten Alltag stehen die Dinge jedoch ganz anders. Mit dem ehrgeizigen Arbeitspensum versucht er sich vom kürzlichen Tod seiner Frau abzulenken. Darüber vergisst er jedoch auch auf seine magersüchtige Tochter Olga, die nach dem Tod ihrer Mutter suizidgefährdet ist. Er lässt sie in eine Klinik einweisen, wo sie von der Psychiaterin Anna behandelt wird, die selbst mit den Geistern der Vergangenheit zu kämpfen hat. Die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska setzt sich in dieser schwarzen Komödie mit dem Verlust geliebter Menschen auseinander und thematisiert Themen wie Angst, Sehnsucht und Schuldgefühle. (c) Berlinale "45 Years"Kate (Charlotte Rampling) und ihr Ehemann Geoff (Tom Courtenay) führen seit beinahe 45 Jahren eine harmonische Ehe. Mitten in den Vorbereitungen für die Feier ihres Jahrestages erhält Geoff einen verheerenden Brief, der ihre Beziehung auf die Probe stellt. Am Tag des Festes ist nicht mehr sicher, ob noch etwas zu feiern übrig ist. Der US-amerikanische Film von Regisseur und Drehbuchautor Andrew Haigh (bekannt durch sein vielfach ausgezeichnetes Drama "Weekend") erzählt von zwei Menschen, die sich in ihrer Beziehung zueinander unerwartet mit neuen Gefühlen konfrontiert sehen. (c) Berlinale "Pod electricheskimi oblakami"In ""Pod electricheskimi oblakami", übersetzt "Under Electric Clouds", erzählt der russische Regisseur Alexey German Jr. in sieben Episoden von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seines Vaterlands Russland. In einer surrealen Welt treffen verschiedene Figuren und ihre Schicksale aufeinander. Eine zurückkehrende Studentin, ein kirgisischer Arbeiter, ein Architekt, ein Touristenführer und weitere Charaktere stellen sich die Frage nach ihrer Herkunft und Identität: "Wer sind wir? Wer bin ich?". (c) Berlinale "Aferim!"1835 streift der Gendarm Constandin mit seinem Sohn durch die steinige Walachei. Die beiden sind auf der Suche nach einem entflohenen Sklaven, der eine Affäre mit der Frau seines Herren gehabt haben soll. Auf ihrer Odyssee durch Osteuropa treffen die beiden auf Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Nationalitäten. Regisseur Radu Jude erzählt in Schwarz-Weiß-Bildern eine auf historischen Dokumenten und Liedern beruhende Parabel auf das spätfeudale Europa. Darin werden Machtverhältnisse und Hierarchien, das Selbst- und Fremdbild der Völker, den Umgang mit Minderheiten und die Konflikte, die daraus erwachsen, thematisiert. (c) Berlinale "Cha và con và"Saigon in den späten Neunzigerjahren. Der vietnamesische Film"Cha và con và", der unter dem Titel "Unsere sonnigen Tage" bei der Berlinale seine Weltpremiere feiert, erzählt die Geschichte des jungen Fotografiestudentens Vu. Er ist von der pulsierenden Metropole Saigon, und noch viel mehr von seinem charismatischen Mitbewohner Thang fasziniert. Dieser macht ihn mit Drogen, Prostitution Glücksspiel und der Bartänzerin Van bekannt. Obwohl Vu Gefühle für Than entwickelt, schläft er mit ihr. Die beiden müssen wegen eines Missverständnisses in das Mekong-Delta fliehen, wo sie in einen Strudel aus Eifersucht und Begehren gerissen werden. Regisseur Dang Di Phan siedelt die Liebesgeschichte vor der vietnamesischen Urwaldkulisse an und thematisiert tabuisierte Homosexualität und die staatlich sanktionierten Eingriffe in das Privatleben des Individuums. (c) Berlinale "Ten no chasuke""Ten no chasuke", übersetzt "Chasuke's Journey", ist eine japanische Komödie über eine fantastische Liebesgeschichte. Der Gangster Chas (Ken'ichi Matsuyama) reist aus dem Himmel zurück auf Erden, um die junge Yuri vor einem tödlichen Autounfall zu retten. Denn als Teeservierer im Himmel erfährt er ihr Schicksal im Voraus: Alles, was oben auf Pergament geschrieben wird, bewahrheitet sich unten auf Erden. In Okinawa angekommen, ändert er ihr Schicksal und verliebt sich in sie. Der japanische Regisseur SABU, mit bürgerlichem Namen Hiroyuki Tanaka, verbindet in seiner Komödie Elemente klassischer Gangster-Streifen mit einer Liebesgeschichte voller Slapstick-Einlagen. (c) Berlinale "Yi bu zhi yao - Gone with the Bullets"Im Shanghai der 1920er waschen der ehemalige Adelige und Berufsschwindler und der Polizist Xiang Feitan im großen Stil Geld. Zu diesem Zweck veranstalten sie Schönheitswettbewerbe, bei denen die Elite der Stadt eingeladen ist. Der überraschende Sieg einer Außenseiterin setzt einen tödlichen Strudel in Gang. "Gone with the Bullets" ist bereits der zweite Teil der Bullet-Triologie, die mit dem komödiantischen Ganovendrama "Let the Bullets Fly" 2010 ihren Anfang nahm. Regisseur Jiang Wen porträtiert in seinem bunten Genremix die politisch angespannten 20er-Jahre Chinas. (c) Berlinale "Journal d’une femme de chambre"In Frankreich um 1900 wird die Kammerzofe Célestine (Léa Seydoux) in die Normandie vermittelt. Dort in der Villa der Lanlaires angekommen sieht sie sich einem lüsternen Hausherren und dessen eifersüchtiger Ehefrau gegenüber. Célestine setzt ihre Reize ein, um ein Leben nach ihren Wünschen zu führen. Regisseur Benoit Jacquot ist bereits der Dritte, der den Roman von Octave Mirabeau verfilmt. Dieser wirft aus der Tagebuch-Perspektive der aufgeweckten jungen Frau einen spöttischen Blick auf die bürgerliche Gesellschaft und ihre vermeintlichen Machtverhältnisse. (c) Berlinale "El botón de nácar - Der Perlmuttknopf"Der Dokumentarfilm "Der Perlmuttknopf" gibt dem Meer eine Stimme. Der chilenische Regisseur Patricio Guzmán zeigt den Ozean als einen für seine Heimat wichtigen Bezugspunkt in all seinen Facetten. Nicht zuletzt ist er die Heimat der Perlmuttknöpfe, die auf dem Meeresgrund schlummern. (c) Berlinale "Taxi"Der iranische Regisseur Jafar Panahi setzte sich für seinen Film selbst hinter das Taxilenkrad und nahm in authentischen Bilder die Stimmung in der iranischen Hauptstadt Teheran auf. Während der Taxifahrten erzählen ihm die unterschiedlichsten Fahrgäste aus ihrem Leben. So kommt eine Aneinanderreihung komischer wie dramatischer Szenen zustande, die in ihrer Mischung das heutige Lebensgefühl im Iran einfangen. (c) Berlinale "Sworn Virgin"Hana wächst in der archaischen Berglandschaft Albaniens auf. Hier herrschen noch die alten Gesetze und tradierten Geschlechterrollen. Sie flieht vor dem Schicksal einer Ehefrau und Dienerin, indem sie nach dem Kanun – dem traditionellen Recht – den Schwur ewiger Jungfräulichkeit ablegt. So opfert sie für die vermeintliche Freiheit ihre Weiblichkeit ... In ihrem Debütfilm begleitet Laura Bispuri eine junge Frau auf einer schwierigen und schmerzhaften Odyssee fort aus der archaischen Bergwelt in das moderne Leben der Großstadt. Der Film erzählt die Geschichte einer Frau, die ihre Geschlechtlichkeit neu entdeckt. Die einfühlsame Studie bedient sich allegorischer Bilder, um die Ambivalenzen in Hanas Gefühlsleben anzudeuten, und kommt mit wenigen Dialogen aus. Sie vertraut auf Blicke, Gesten und eine Hauptfigur, die sich der eigenen Widersprüchlichkeit stellt. (c) Berlinale Außer Konkurrenz laufen heuer folgende Filme:"Elser - Er hätte die Welt verändert"Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel widmet seinen Film dem Mann, der am 8. November 1939 einen Anschlag auf Hitler verüben wollte. Widerstandkämpfer Georg Elser (Christian Friedel) platzierte eine Bombe im Münchner Bürgerbräukeller, die Adolf Hitler nur deshalb nicht umbrachte, weil dieser 13 Minuten vor der Detonation überraschend die Veranstaltung verließ. Elser wurde nach seiner Flucht in der Schweiz gefasst, in die KZs Sachsenhausen und Dachau deportiert und dort kurz vor Kriegsende ermordet. Auf der Berlinale wird "Elser" außer Konkurrenz gezeigt. (c) Berlinale "Cinderella"Ellas Vater heiratet nach dem tragischen Tod ihrer Mutter erneut. Als auch er stirbt, ist sie den Launen und Grausamkeiten ihrer Stiefmutter und deren Töchtern schutzlos ausgeliefert. Sie wird zur Dienerin degradiert und "schmutzige Ella", Cinderella, genannt. In einem gut aussehenden Fremden, den sie für einen Bediensteten des königlichen Palasts hält, scheint Ella einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Als der Hof zum großen Ball lädt, Ella der Besuch jedoch verboten wird, bekommt sie unerwartet Hilfe von einer guten Fee … Das Grimm-Märchen hat zahlreiche Filmemacher inspiriert. Nun interpretiert Kenneth Branagh mit Gespür für visuelle Opulenz, dramaturgisches Timing und Witz den Stoff als zeitlose Liebesgeschichte neu. In der Realverfilmung besetzt er Jungstars wie Lily James und Richard Madden neben internationalen Schauspielgrößen. Für den Look des Films sorgen Produktionsdesigner Dante Ferretti und Kostümbildnerin Sandy Powell. (c) Berlinale/Jonathan Olley "Mr. Holmes"England 1947: Der berühmte Sherlock Holmes (Ian McKellen) ist mittlerweile in die Jahr gekommen und lebt zurückgezogen in seinem Landhaus in Sussex. Über die Legenden, die im Kino über ihn erzählt werden, kann der pensionierte Detektiv nur schmunzeln - fast alles davon ist frei erfunden. Doch ein realer Fall aus seiner aktiven Zeit als Privatdetektiv lässt ihm keine Ruhe, sodass Holmes sich auf eine letzte große Reise begibt. Regisseur Bill Condon erzählt frei nach Mitch Cullins Roman "A Slight Trick of the Mind" über das Wechselspiel von Legende und Wahrheit, über Alter und Erinnerung, unbewältigte Schuld und die Chance, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Das letzte Mal als Schauspieler McKellen und Regisseur Condon zusammenarbeiteten, regnete es einen Oscar für das Drehbuch und eine Nominierung in der Kategorie "Bester Schauspieler" - man darf gespannt sein. (c) Berlinale "Every Thing Will Be Fine"Schriftsteller Thomas Eldan (James Franco) fährt einen kleinen Buben an, das an den Folgen des Unfalls stirbt. Obwohl ihn keine direkte Schuld an dem Unfallhergang trifft, stürzt ihn der Tod des Kindes in eine tiefe Krise. Sowohl seine Arbeit als auch seine Beziehung leiden darunter, dass der tief getroffene Mann nicht weiß, wie er mit diesem Unglück umgehen soll. In einer Chronik von zwölf Jahren portraitiert "Every Thing Will Be Fine" Tomas, der mit Gedanken von Schuld, Sühne und Vergebung hadert. Gleichzeitig verfolgt der Film das weitere Leben von Mutter und Bruder des getöteten Jungen und ihre Art mit dem Schicksalsschlag umzugehen. Regisseur Wim Wenders verfilmte mit "Everything will be Fine" den gleichnamigen dänischen Film aus dem Jahr 2010. Dafür konnte er neben James Franco Stars wie Charlotte Gainsbourg und Rachel McAdams ins Boot holen. (c) Berlinale Die 19 Filme im Wettbewerb Hölzerne Dialogszenen Geschichten um starke und abenteuerlustige Frauen scheinen heuer einen Programmschwerpunkt zu bilden, das Motiv zieht sich durch alle zentralen Sektionen. Vielleicht handelt es sich um eine indirekte Reaktion auf in den letzten Jahren laut gewordene Vorwürfe, A-Festivals würden Regisseurinnen marginalisieren – im Rennen um den Bären finden sich dennoch nur drei Damen. Eine davon ist die Spanierin Isabel Coixet, die mit der internationalen Koproduktion „Nobody Wants the Night“ den Eröffnungsfilm stellt. In der Dramatisierung von Ereignissen um eine Nordpol-Expedition des Forschers Robert Peary gibt Juliette Binoche dessen Frau Josephine, die ihm hinterherreist, um bei seiner größten Entdeckung dabei zu sein. Zu Beginn sieht Binoche mit Pelzkragen und Winterhaube aus, als wäre Anna Karenina gerade vom Schlitten gestiegen: Zugeknöpft und pikiert über die bloßen Busen der eingeborenen Frauen tut sie so, als hätte sie die gute Gesellschaft nie verlassen, doch die eisige Odyssee reibt sie immer mehr auf. Im Basislager der Forschungsgruppe trifft sie auf das Inuit-Mädchen Allaka (Rinko Kikuchi als Inbegriff indigener Unschuld), die ein Kind von Peary erwartet. Josephines anfängliches Entsetzen weicht der Erkenntnis, dass ihre Liebe sie eint – sie beschließen, zusammen zu warten, während Wind und Wetter immer wilder werden.
Leider ist von Witterung und Weite der Frostwüste (gedreht wurde in Norwegen) wenig zu spüren. Die flachen, matten Zitterkamera-Einstellungen sind höchstens lauwarm, und der Film wird von teils ziemlich hölzernen Dialogszenen dominiert. Dass hier eine Französin eine Amerikanerin und eine Japanerin eine Inuk verkörpert, steigert die Künstlichkeit. Zwar werden Film und Schauspiel immer sinnlicher (und besser), je näher sich die Frauen kommen und je mehr sich die Lage zuspitzt – doch bis zum pathetischen Finale ist ein Großteil der Aufmerksamkeit vom Schneegestöber verweht. Zum Glück hat das Festival noch 440 Beiträge in petto.
(Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2015)
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