Die „Evolution“ der ÖVP in 39 Fragen

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Die ÖVP befragte ihre Mitglieder zu ihren Wünschen für das neue Parteiprogramm. Im Mai soll es dann fertig sein.

Wien. Die „Evolution“ der ÖVP neigt sich langsam dem Ende zu: Am Donnerstag präsentierte Generalsekretär Gernot Blümel das Ergebnis einer internen Befragung. In den vergangenen drei Wochen konnten Parteimitglieder ihre Meinung zu 39 Fragen rund um die Reform des Parteiprogramms abgeben. 12.835 (von 600.000) sind der Einladung gefolgt.

Das Ergebnis: Nur ein einziger Punkt, den die ÖVP-Zentrale ihren Mitgliedern vorgeschlagen hat, ist durchgefallen – die Einführung einer Pflegeversicherung verfehlte mit 49,4 Prozent knapp die Zustimmung. Der Rest wurde mehrheitlich angenommen. Zum Beispiel im Bereich Vorzugsstimmen: 87 Prozent haben sich für eine Stärkung des Persönlichkeitsrechts ausgesprochen. Innerhalb der ÖVP soll in Zukunft – unabhängig vom gesetzlichen Wahlrecht – der Kandidat mit den meisten Vorzugsstimmen das Mandat erhalten. „Das ist in einer Deutlichkeit ausgefallen, mit der wir nicht gerechnet hätten“, sagte Blümel dazu. Bisher gibt es für eine potenzielle Vorreihung von Kandidaten hohe Hürden.

60 Prozent der Befragten sprachen sich auch für ein Mehrheitswahlrecht aus. Wobei eine solche Regelung im Fragebogen so definiert ist, dass die stimmenstärkste Partei automatisch in der Regierung ist. Welche Maßnahmen man aus diesem Ergebnis konkret ableiten kann, weiß Blümel nicht. „Hier gibt es großes Diskussionspotenzial“, sagte er.

Abgesehen von der Frage nach der Pflege war der Bereich Frauenförderung unter den Befragten der umstrittenste: 56,5 Prozent sprachen sich für „konkrete Regelungen für die Einbindung von Frauen bei der Listenerstellung“ aus – als Beispiel wird etwa ein Reißverschlusssystem angeführt. „Ein deutliches Ergebnis“, meinte Blümel. „Das macht mich persönlich sehr froh und stolz.“

Internet-Wettkampf vs. Förderung

Dass sich eine Quote womöglich nicht mit der Regelung rund um die Vorzugsstimmen verträgt, glaubte der Generalsekretär nicht: „Dieser Vorwurf ist nicht korrekt.“ In Niederösterreich sei zum Beispiel der interne Kandidatenwettstreit bereits Praxis: Bewerber auf der ÖVP-Liste müssen zusagen, für den jeweils stimmenstärksten Konkurrenten auf ihr Mandat zu verzichten. Trotzdem habe sich bei der letzten Nationalratswahl die junge Kandidatin Eva-Maria Himmelbauer auch gegen ältere Männer (Landwirtschaftskammer-Präsident Hermann Schultes, Anm.) durchgesetzt, argumentierte Blümel. Allerdings ist der Frauenanteil im niederösterreichischen Landtagsklub mit nur drei von 30 Abgeordneten äußerst gering.

„Haben konsensuell diskutiert“

Der Rest der Ergebnisse war mehr oder weniger erwartbar: Die Befragten sind gegen Vermögensteuern, für Selbstbehalte beim Arztbesuch (bei Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge) und für die „Beibehaltung des differenzierten Schulwesens“. Dass es sich in einigen Fällen um Suggestivfragen handle, wollte Blümel nicht gelten lassen: Der Fragebogen sei eben Ergebnis der vorherigen Diskussionen auf der Onlineplattform gewesen: „Dass in vielen Bereichen sehr konsensuell diskutiert worden ist, können Sie uns nicht zum Vorwurf machen.“

Und wie geht es jetzt mit dem Parteiprogramm weiter? Bis zum sogenannten Reformparteitag am 12. und 13. Mai in der Wiener Hofburg will die Parteizentrale verschiedene Vorschläge auf Basis der Ergebnisse ausarbeiten. Über diese soll dann – Punkt für Punkt – abgestimmt werden. Am Ende soll dann das neue Papier stehen. Eine Urabstimmung über das Programm (das aktuelle stammt aus 1995) ist aber nicht vorgesehen.

Jene 12.835 Personen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, sind übrigens nur zwei Prozent aller Parteimitglieder. Über die geringe Beteiligung ist Blümel allerdings nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Man hätte mit noch weniger Rücklauf gerechnet.

Ausgearbeitet wurde die Idee rund um den „Evolutionsprozess“ der ÖVP noch unter Ex-Parteichef Michael Spindelegger. Beim offiziellen Start der Aktion hieß der Obmann allerdings schon Reinhold Mitterlehner. Nach einigen Wochen, während derer alle Interessierten Vorschläge auf einer Homepage machen konnten, diskutierten die Parteimitglieder über die gesammelten Ideen. Das Ziel des Prozesses ist laut Blümel jedenfalls, „die ÖVP jünger und weiblicher zu machen“. Derzeit beträgt das Durchschnittsalter noch 60 Jahre. Das Geschlechterverhältnis der Mitglieder ist immerhin 50:50.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Die Wende des Reinhold Mitterlehner

Wie muss eine bürgerliche Partei im Jahr 2015 aussehen? Sie sieht auf jeden Fall anders aus als zu jener Zeit, als die ÖVP das letzte Mal den Kanzler stellte.
ÖVP- Generalsekretär Gernot Blümel
Politik

"Evolution": ÖVP will jünger und weiblicher werden

Künftig soll es einen internen Vorzugsstimmenwahlkampf geben. Abgelehnt wurde von den Parteimitgliedern die Einführung einer Pflegeversicherung.
ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel
Politik

Mehr Direktwahl? ÖVP fragt nach

Im Zuge ihres Evolutionsprozesses lässt die ÖVP über ein neues Wahlrecht abstimmen. Auch Selbstbehalte sind ein Thema. Nicht wenige Fragen sind suggestiv gestellt.
Politik

Auftakt: Die ÖVP auf „Wolke 19“

Zum ersten Bundesparteivorstand im neuen Jahr gab sich die Volkspartei um ihren Chef, Reinhold Mitterlehner, betont motiviert und geschlossen. Am Dienstag wird im Ministerrat das generelle Rauchverbot diskutiert.
ÖVP-App
Politik

ÖVP-App: "Django"-Jingle und "Wir Gefühl"

Ein "direkter E-Mail- und Telefon-Draht in die Zentrale" soll die Bindung zur Bundespartei festigen. Auch Bilder und Videos werden geboten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.