Griechenland: Warum es für Hellas ganz eng wird

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Draghi zieht den Stecker: Die EZB akzeptiert griechische Staatsanleihen nicht mehr als Pfand für Kredite an Banken. Damit hält sie sich nur an ihre Regeln – und überrascht dennoch alle.

Was sich in der hohen (Geld-)Politik hinter verschlossenen Türen abspielt, bleibt meist verborgen. Bei der Bettel-, Droh- und Charme-Tournee von Yanis Varoufakis quer durch Europa steht aber eines fest: Wie der neue griechische Finanzminister seine Gespräche mit den Gläubigern schildert, sind sie nicht gelaufen. „Fruchtbar“ nannte der legere linke Ökonomieprofessor seinen Besuch bei EZB-Präsident Draghi am Mittwoch. Das Ergebnis war aus griechischer Sicht vielmehr furchtbar: Noch in der Nacht verkündete die Zentralbank, dass sie ab 11. Februar griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten für Kredite an Banken anerkennt. Das könnte der Anfang vom Ende der Euromitgliedschaft Griechenlands sein. Was sind die Gründe, was die Folgen?

1 Warum hängen die griechischen Banken wieder ganz am Tropf des Eurosystems?

Der Wahlsieg der linkspopulistischen Syriza-Partei hat ihre Situation rapide verschlechtert: Aus Angst vor einem erzwungenen Euro-Austritt heben viele Griechen ihre Einlagen ab, zuletzt bis zu einer Milliarde Euro jeden Tag. Den Banken fehlt Liquidität. Eigene Anleihen wären zu teuer, weil mit dem Risiko auch die Renditen massiv steigen. Als Retter bleiben das Eurosystem – die eigene Notenbank und die Frankfurter Zentrale.

2 Warum zieht die EZB ausgerechnet jetzt die Reißleine?

Die EZB vergibt Kredite an Geschäftsbanken nur gegen Staatsanleihen hoher Bonität als Sicherheit. Die Hellas-Banken haben aber fast nur griechische Bonds auf Ramschniveau zu bieten (und sind umgekehrt fast die einzigen verbliebenen privaten Abnehmer dieser Schuldtitel). Die EZB schuf aber eine Sonderregelung: Sie akzeptierte Griechen-Anleihen, wenn Athen die Auflagen eines Rettungsprogramms einhält. Weil die neue Regierung das Geben und Nehmen aufgekündigt hat, blieb den Währungshütern nichts anderes übrig, als den Hahn zuzudrehen. Sonst hätten sie – schon wegen der engen Verflechtung von griechischen Banken und Regierung – das Verbot einer monetären Staatsfinanzierung eindeutig missachtet.

3 Welche Möglichkeiten der Geldbeschaffung bleiben den Hellas-Banken noch?

Vom 1,14-Billionen-Euro-Anleihenkaufprogramm der EZB, das im März startet, ist Griechenland ausgeschlossen. Die Banken können sich nur noch mit Liquiditätsnothilfen (ELA für Emergency Liquidity Assistance) ihrer eigenen Notenbank über Wasser halten. Dafür gibt es keine Reformauflagen. Die nationale Notenbank legt die Sicherheiten selbst fest, sie sind „weicher“. Dafür sind die Kredite teurer. Man schätzt den „Strafzins“ auf die EZB-Rate auf einen bis 1,5 Prozentpunkte.

4 Welchen Einfluss hat der EZB-Rat auf die Nothilfen der Athener Notenbank?

Die ELA sind umstritten. Zwar haftet die nationale Notenbank für ihren Alleingang selbst, bei einem Euro-Austritt kommen aber alle anderen Euroländer ebenfalls zum Handkuss. Deshalb ist der Rahmen eng: Mittel dürfen nur für kurze Zeit zur Überbrückung akuter Liquiditätsengpässe fließen (in Irland war nach einigen Monaten Schluss). Die Banken müssen solvent sein, was hier zweifelhaft ist: Wenn ihre Sicherheiten nicht mehr kreditwürdig sind, sind sie nicht illiquide, sondern eher pleite. Einen Rahmen über zwei Mrd. Euro muss der EZB-Rat mit Zweidrittelmehrheit genehmigen.

5 Welche Beträge könnten das griechische Finanzsystem über Wasser halten?

Aktuell nehmen drei Großbanken zwei Milliarden Euro in Anspruch. Den Maximalrahmen, den die EZB erlauben könnte, schätzt Bloomberg auf 50 Milliarden Euro. Um die Sparer zu beruhigen und einen Bank Run zu verhindern, hat die Regierung in Athen am Donnerstag verraten, die EZB habe den Rahmen „um zehn Milliarden Euro“ aufgestockt. Das klingt nach genug Puffer. Aber die Banken müssen ja nun ihre direkten EZB-Kredite ersetzen. Zuletzt haben sie in Frankfurt 56 Milliarden Euro ausgeliehen. 30 Milliarden davon sind – wieder laut Bloomberg – kurzfristig abzulösen. Damit stehen sie jedenfalls mit dem Rücken zur Wand.

6 Wie geht es nun weiter? Hat die EZB Politik gemacht, wo sie es eigentlich nicht dürfte?

Im Gegenteil. Draghi hat an der immer wieder gezogenen roten Linie kehrtgemacht und den Ball an die Politik – die Staats- und Regierungschefs der Eurozone – zurückgespielt. Die einzige verbleibende Lösung ist nun (neben dem Euro-Austritt, den keine Seite will) ein neues Hilfsprogramm. Für solche Mittel gibt es andere Sicherheiten: Sparen und Reformen. Dass die Regierungen der Gläubigerstaaten darauf verzichten, würden ihnen die Steuerzahler kaum verzeihen. Premier Tsipras muss seine Wahlversprechen also vermutlich brechen. Der Konfrontationskurs könnte sich als Schuss ins Knie erweisen – wie es schon bei Zypern 2013 der Fall war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2015)

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