Terrorismus: Saudiarabiens späte Notbremse

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Jahrelang erhielt die al-Qaida finanzielle Unterstützung aus Riad – jetzt erst geht das Land gegen Spenden an Terrorgruppen vor. Westliche Experten fordern weitere Schritte.

Kairo/Riad. Er habe mit tiefer Trauer von dem Schicksal von Muath al-Kasaesbeh gehört, kabelte der neue saudische König Salman am Mittwoch von Riad nach Amman und nannte den Mord an dem jordanischen Piloten ein „widerliches Verbrechen“, das gegen den Islam verstoße und gegen alle menschlichen Werte. Dabei ist der 78-jährige Monarch offenbar tief verwickelt in die Aufzucht der mordlustigen Jihadisten in der Region.

Jahrzehntelang gehörte er angeblich zu den aktivsten Spendern und Geldsammlern. Erst seit die dritte Generation von Gotteskriegern des Islamischen Staates (IS) nun auch das Haus Saud offen bedroht, geht Saudiarabien entschiedener gegen private Terrorfinanzierer vor.

Die brisanten Zeugenaussagen zu König Salmans Rolle stammen, wie berichtet, von dem verurteilten al-Qaida-Mitglied Zacarias Moussaoui. Der 46-Jährige hatte erklärt, Salman und andere prominente Mitglieder der saudischen Königsfamilie hätten noch Ende der Neunzigerjahre, also unmittelbar vor den Anschlägen in New York und Washington, Großspenden an die al-Qaida überwiesen.

Die genaue Verwicklung Saudiarabiens in die Anschläge des 11. September liegt nach wie vor im Dunkeln. Das 28-seitige Sonderkapitel des voluminösen Abschlussberichts der 9/11-Kommission des US-Kongresses ist bis heute unter Verschluss. Doch nun werden Forderungen an die Regierung von US-Präsident Barack Obama laut, das Kapitel der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Eindeutig belegt ist, dass König Salman in den 80er-Jahren in enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten Gelder für die afghanischen Mudjaheddin und ihre arabischen Mitkämpfer organisierte, aus denen später das Terrornetzwerk al-Qaida hervorging.

Nach Recherchen des ehemaligen CIA-Mannes Bruce Riedel, der heute bei der renommierten Brookings Institution arbeitet, war Salman von Anfang an Chef des offiziellen saudischen Spendenbüros für Afghanistan, von dem jeden Monat 20 bis 25 Millionen Dollar an die Rebellen flossen.

Von 1992 an finanzierte der langjährige Gouverneur von Riad als Vorsitzender der Saudischen Hohen Kommission für Hilfen in Bosnien und Herzegowina (SHC) auch die Islamisten auf dem Balkan. Bei einer Razzia in der SHC-Zentrale in Sarajewo fanden Nato-Truppen 2001 ein ganzes Arsenal von Terrorutensilien, Fotos von al-Qaida-Zielen und Anleitungen, wie sich Hausausweise des US-Außenministeriums fälschen lassen, sowie Stadtpläne von Washington, auf denen wichtige Regierungsgebäude markiert waren.

Späte Einsicht in Riad

Seit dem syrischen Bürgerkrieg und dem Auftauchen des Islamischen Staates jedoch dämmert es auch den Verantwortlichen in Riad, welche enorme Gefahr sie mit ihren Millionenspenden für sich selbst und die ganze Region heraufbeschworen haben.

Als Erster zog der gerade verstorbene König Abdullah im April 2014 die Notbremse. Prinz Bandar al-Sultan, der bis dahin die Waffenhilfe an die syrischen Aufständischen organisierte, wurde als Geheimdienstchef entlassen. Das Syrien-Dossier ging über in die Hände von Innenminister Mohammed bin Nayef, dem neuen Vizekronprinzen, dessen Augenmerk vor allem auf der Gefahr durch radikalisierte Rückkehrer liegt.

Dessen Mitarbeiter geben sich sicher, dass auch die Geldflüsse inzwischen gestoppt sind. Alle Bankkonten würden regelmäßig auf verdächtige Geldbewegungen geprüft. „Gibt es mehrere hohe Einzahlungen von verschiedenen Personen, gehen wir der Sache nach“, erklärt General Mansour al-Turki, Sprecher des Innenministeriums.

Bedingtes Lob kam vom renommierten Washington Institute für Near East Policy. Der Eindruck sei falsch, dass das Königreich nichts tue, um private Spenden an Terrorgruppen zu unterbinden, heißt es in einer Studie. Die sichtbarste Aktion sei die Überwachung des Bankensektors, um verdächtige Transaktionen zu blockieren. Doch das reiche nicht aus: „Riad könnte wesentlich mehr tun, um private Spenden zu begrenzen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2015)

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