Nächtlicher Glockenschlag. Die Verhandlung über die Beschwerde eines Anrainers wurde vertagt. Nun könnte ein Mediator Ruhe bringen.
Linz/Wien. Die Glocken des Linzer Mariendoms dürfen vorerst weiterläuten. Auch nachts. Die Gerichtsverhandlung über die Klage eines Anrainers gegen die nächtlichen Glockenschläge ist am Freitag vertagt worden. Die Streitparteien vereinbarten außergerichtliche Gespräche, in denen eine Einigung, die Inanspruchnahme einer Mediation oder doch die Fortsetzung des Prozesses erörtert werden soll.
Anwalt Wolfgang List, der den Anrainer in dessen Unterlassungsklage vertritt, stellte in der Verhandlung im Landesgericht Linz fest, dass die Gesundheit seines Mandanten durch das Ertönen der Glocken der Kirchturmuhr zu jeder Viertelstunde, auch nachts, – insgesamt 222 Schläge – gefährdet sei. Er leide an Schlafmangel, Konzentrationsstörungen und Erschöpfungszuständen. „Das massive Sturmläuten muss aufhören“, verlangt er.
Der Anrainer argumentierte vor dem Prozess, das Läuten sei nicht mehr zeitgemäß. Privat beauftragte Lärmmessungen hätten gezeigt, dass von Montag bis Samstag täglich insgesamt rund eine Stunde geläutet wird, am Sonntag sogar eineinhalb Stunden – mit bis zu 77 Dezibel. Gespräche mit der Pfarre seien bisher erfolglos verlaufen. Zuletzt hatte die Anwaltskanzlei niemand Geringeren als Papst Franziskus per Brief gebeten, auf die Dompfarre einzuwirken, auf dass diese das nächtliche Glockenschlagen einstelle.
Läuten seit 112 Jahren üblich
Trotz dieses Briefes kam es schließlich zum Zivilprozess, bei dem Anwalt Wolfgang Graziani-Weiss als Vertreter der Dompfarre mit ihrem Pfarrer Maximilian Strasser gleich zu Beginn darauf hinwies, dass der Kläger offenbar nicht nur gegen den Lärm der Glocken gerichtlich vorgeht, sondern auch gegen ein Jugendzentrum in seiner Nachbarschaft, weil er sich durch den Lärm und über den Zaun fliegende Bälle dort spielender Jugendlicher belästigt fühle. Das Läuten bezeichnete der Anwalt als „ortsüblich“. Und so gesundheitsgefährdend könne es nicht sein, denn sonst würden schließlich mehrere Anrainer im Domviertel unter Beschwerden leiden. Auch der Pfarrer wohne neben der Kirche.
Die Diözese hatte vor dem Prozess argumentiert, dass es sich bei dem Läuten um eine „gewachsene Tradition mit eigenständiger und kultureller und religiöser Bedeutung“ handle, die seit 112 Jahren zum „akustischen Stadtbild“ gehöre. In all den Jahren sei kein Fall von gesundheitlicher Beeinträchtigung, die auf das Schlagen der Turmuhr zurückzuführen gewesen wäre, bekannt geworden.
Richterin Amalia Berger-Lehner versuchte, einen Vergleich zu erreichen. Das wies zunächst der Vertreter des Klägers zurück: Das sei bei einer Gesundheitsgefährdung nicht möglich. Zudem habe man einen Vergleich schon vorweggenommen, indem man nur verlange, dass das Läuten in der Nacht unterlassen werden soll. Auch der Anwalt des Beklagten zeigte zunächst kein Interesse an einem Vergleich: Man könne sich nicht vorstellen, das Läuten zu reduzieren, das Gericht solle entscheiden: „Wir wollen es wissen.“
Dann stellte die Richterin aber den Mediator Christian Reichenberger vor. Dieser versuchte, eine Mediation schmackhaft zu machen: Anders als bei einem Urteil im Streit, bei dem mindestens einer unzufrieden zurückbleibe, ziele eine Einigung im Mediationsverfahren auf einen Konsens, eine Win-Win-Situation.
Doch Mediation statt Streit?
Auf die anschließende Frage der Richterin, ob eine Mediation versucht werde, tauschten die Anwälte erst Argumente im Streit aus, in einer Verhandlungspause einigten sie sich dann doch darauf, ein Gespräch der Parteien über beide Streitfälle – Glockengeläut und Jugendzentrum – zu versuchen. Es ist für Februar geplant. Danach sollte eine Entscheidung für eine von drei Varianten erfolgen: Einigung, Mediation oder Prozessfortsetzung. Das Gericht setzte für alle Fälle einen weiteren Verhandlungstermin am 13. April an. (APA/cim)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2015)