EU-Bürger sollen nicht weiter durch die Griechenland-Krise belastet werden, verspricht der neue griechische Ministerpräsident Tsipras. Faymann will Griechenland in der Eurozone halten.
Selten erregte der Besuch eines griechischen Ministerpräsidenten eine derartige Aufmerksamkeit wie das heutige Treffen von Alexis Tsipras mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Es wurde ein freundlicher Empfang in Wien, bei dem Faymann zwar auf die Einhaltung aller Verträge pochte, aber auch Zustimmung für einzelne Punkte des Plans der neuen Koalition in Griechenland durchblicken ließ. Über einen konkreten Schuldenschnitt äußerten sich die beiden Regierungschefs nicht.
Es könne nur ein Ziel geben, Griechenland in der Eurozone zu halten, machte Faymann seine Position in der an das Vieraugengespräch anschließenden Pressekonferenz klar. "Findet man eine Lösung zwischen den vereinbarten inhaltlichen Programmen der Vergangenheit und den Kraftanstrengungen der neuen Regierung? Das ist zur Stunde nicht der Fall. Deshalb ist auch eine gewisse Besorgnis auszudrücken", sagte Faymann. Die Rechtsstaatlichkeit in Griechenland müsse gefestigt werden, Steuerflucht sei einzudämmen. Kein Budget könne ohne Effizienzverbesserungen in Verwaltung und bei öffentlichen Ausgaben funktionieren.
"EU-Bürger nicht belasten"
Tsipras, der intensiv auf Seiten der europäischen Sozialdemokraten nach Unterstützern sucht, hat in Wien "einen neuen Freund" gewinnen können. Eine Bemerkung, die Faymann schmunzelnd zur Kenntnis nahm. Man werde alle Anstrengungen unternehmen, um zu einer Lösung zwischen Griechenland und der EU zu kommen, so Tsipras. Die griechischen Pläne dürften keine Last für irgendeinen Bürger der europäischen Union werden. "Ich möchte eine Lösung, die wirtschaftlich machbar ist." Der Kampf gegen Steuerflucht sei aber nicht nur eine "Schlacht" Griechenlands sondern fordere die Bemühungen der ganzen EU.
Die "neuen Freunde" Tsipras und Faymann scheinen sich auch auf ein gemeinsames Vorbild zu berufen. Auf die Frage, ob Faymann auf EU-Ebene für eine Lösung der Griechlandfrage aktiv werde, blieb der Kanzler unkonkret. Er verwies auf die seit Bruno Kreisky bestehenden engen Beziehungen zu Griechenland. Auch Tsipras soll sich laut Faymann im Gespräch auf Kreisky bezogen haben. Es sei "Zynismus", wenn man sich um die Rettung der Finanzmärkte kümmere, aber nicht um eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent, hielt Faymann gleich zwei Mal während des Pressekonferenz fest.
In mehreren Interviews hatte Faymann zuvor Verständnis für die Haltung von Tsipras gezeigt und zugleich das "Abwarten" der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Europa gerügt.
Tsipras-Fans am Ballhausplatz
Tsipras war vor dem Bundeskanzleramt von linken Sympathisanten empfangen worden, die auf Facebook zu einer Kundgebung am Ballhausplatz aufgerufen hatten. Dutzende Menschen wartetetn auf den griechischen Premier im Wiener Schneegestöber. Sie hielten Transparente mit "Schuldenschnitt für Griechenland" oder "Solidarisches Europa mit Tsipras" in die Höhe. Das Programm hatte sich um etwa eine Stunde verzögert. Tsipras war wetterbedingt erst gegen 11.45 beim Bundeskanzleramt in Wien eingetroffen.
Die Klubobleute von SPÖ und ÖVP, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka, zeigten sich am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" offen für eine "Streckung" der Kreditlaufzeiten für Griechenland. Die ÖVP zeigte sich in mehreren Aussendungen sehr kritisch gegenüber dem heutigen Treffen von Tsipras und Faymann.
Tsipras: "Rettungsaktion ist gescheitert"
Tsipras hofft vor allem auf europäischer Ebene auf die Unterstützung von sozialdemokratischer Seite und ist seit Amtsbeginn in den EU-Ländern auf Werbetour für sein Programm. In seiner ersten großen Parlamentsrede lehnte er am Sonntagabend eine Verlängerung des Hilfsprogrammes für sein Land strikt ab. "Die Rettungsaktion ist gescheitert".
Man werde nicht über die Souveränität Griechenlands verhandeln, betonte Tsipras, den die Abgeordneten immer wieder mit stehendem Applaus unterbrachen. Sein Finanzminister Yanis Varoufakis warnte zugleich davor, das Land aus dem Euro zu drängen. Dann würden weitere Staaten folgen und der gesamte Währungsblock zusammenbrechen. Nach seiner Rede setzten die griechischen Börsen zu einer Talfahrt an.
"Kaum Chancen" auf rasche Einigung
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble machte am Montag noch einmal deutlich, dass Berlin ohne Reformzusagen nicht zu weiteren Hilfen bereit ist. "Ohne (Reform-)Programm ist es für Griechenland schwierig", sagte er in Istanbul beim G20-Finanzministertreffen. Ich sei nicht klar, wie das Land ohne eine finanzielle Überbrückung durch seine europäischen Partner weitermachen wolle. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betonte, er sehe kaum noch Chancen für eine rasche Einigung.
Großbritannien spielt bereits den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone durch. Regierungschef David Cameron beriet am Montag mit Spitzenvertretern des Finanzministeriums und der britischen Notenbank über die Folgen eines möglichen "Grexits", wie Regierung und Notenbank bestätigten. Es gehe darum, Risiken einer Ansteckungsgefahr abzuschätzen, sagte ein Cameron-Sprecher. "Wir wollen hier wachsam sein."
(klepa/APA)