„Lehrer überfordert, bedroht“

Expertin meint, Kinder würden in Sonderschulen abgeschoben.

INNSBRUCK/WIEN.„Hier wird mit der Realität nicht kompetent umgegangen“, sagt Barbara Herzog-Punzenberger, Mitarbeiterin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Von der „Presse“ zu den aktuellen Zahlen des Unterrichtsministeriums über jene Schüler befragt, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, verweist die Migrationsforscherin auf ähnliche Studien, die seit Jahren dringenden Handlungsbedarf aufzeigen. Etwa im Bereich der Sonderschulen: Hier ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund oder jenen Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, überproportional hoch. Auch die aktuellen Zahlen des Ministeriums belegen dies.

„Weil diese Kinder oft nur wegen mangelnder Sprachkenntnisse in Sonderschulen abgeschoben werden. Was von Gesetzes wegen nicht passieren dürfte“, erklärt Herzog-Punzenberger. Mit fatalen Folgen für die Betroffenen: Österreichs Schulsystem sei extrem undurchlässig, weshalb es für diese Kinder kaum einen Weg zurück in eine Regelschule und in weiterer Folge in ein normales Berufsleben gebe.

Um derlei Missstände abzustellen, bedürfe es konkreter Schritte in Sachen Schulentwicklung, die jedoch auf extreme Widerstände im verkrusteten System stießen, so die Expertin: „Eines der Hauptthemen für die Zukunft der Schule.“ Stattdessen werde das Feld den Populisten überlassen. Denn Forderungen wie „maximal ein Drittel Kinder nichtdeutscher Muttersprache pro Klasse“ seien „blanker Unsinn“, wenn die Realität für manche Regionen einen Anteil von mehr als 50Prozent zeige. Der kompetente Umgang mit mehrsprachigen Schülern müsse Pflichtbestandteil bei der Lehreraus- und -weiterbildung werden, fordert Herzog-Punzenberger.

Immerhin mache die Schule für Kinder und Jugendliche den Großteil ihrer täglichen Realität aus: „Sie müssen nun erleben, dass sich die Schule der Realität nicht angepasst hat; dass die Lehrer mit der Situation überfordert sind, sich zum Teil sogar bedroht fühlen.“ Dieses Gefühl der Überforderung und Angst übertrage sich in der Folge auf die Jungen und sei Gift für jeden Integrationsprozess.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2009)

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