EU-Parlament: Strafen für Raser im EU-Ausland

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Das Plenum in Straßburg stimmt am Mittwoch über eine Richtlinie ab, die den Austausch von Fahrzeug- und Lenkerdaten innerhalb der EU ermöglichen soll.

Straßburg. Es ist ein bekanntes Bild: jene – meist PS-starken – Fahrzeuge aus dem EU-Ausland, die mit affenartiger Geschwindigkeit an den inländischen Autofahrern vorbeirasen – darauf vertrauend, dass Strafzettel nicht in ihre Heimat zugestellt bzw. nicht exekutiert werden können. Angesichts der immer engeren europäischen Zusammenarbeit im Justizbereich mutet dieser Zustand wie ein Anachronismus an. Und wenn es nach den Vorstellungen des EU-Parlaments geht, soll die Ära des straflosen Rasens auf Europas Straßen schon in wenigen Monaten definitiv vorbei sein: Am heutigen Mittwoch stimmt das Plenum in Straßburg über den Entwurf einer Richtlinie ab, die es ermöglichen soll, Verkehrssünder im europäischen Ausland zu belangen. Geht die Abstimmung wie erwartet positiv aus und legt der Rat der EU-Mitgliedstaaten keine Einwände ein (was ebensowenig erwartet wird), dürfte die Regelung bereits im Mai in Kraft treten.

Verkehrskommissarin Violeta Bulc geht davon aus, dass die Richtlinie die Zahl der Verkehrstoten auf Europas Straßen reduzieren wird. „Die Verkehrssicherheit darf nicht an Landesgrenzen aufhören“, sagte Bulc gestern vor dem Europaparlament. Nach Berechnungen der Brüsseler Behörde gehen 75 Prozent der Todesopfer im Straßenverkehr auf lediglich vier Ursachen zurück, die alle unter die neue Bestimmung fallen: Geschwindigkeitsüberschreitung, die Missachtung von Verkehrsampeln, Alkohol am Steuer und nicht angelegte Sicherheitsgurte. Vorhandene Statistiken legen nahe, dass rücksichtslose Fahrer aus dem Ausland für einen überdurchschnittlichen Anteil der Vorfälle verantwortlich sind. Nach Schätzungen der Kommission können mit Inkrafttreten der neuen Richtlinie jährlich 400 Leben gerettet werden. Zudem sind gemäß der Behörde Fahrzeuge aus dem Ausland im Schnitt für fünf Prozent des Straßenverkehrs, aber 15 Prozent der Geschwindigkeitsdelikte in den EU-Mitgliedstaaten verantwortlich. In Ländern, die besonders von Transitverkehr betroffen sind – wie Österreich – sind es gar 25, in starken Reisezeiten 40 bis 50 Prozent (bei höherem Verkehrsaufkommen ausländischer Fahrzeuge).

Der am Mittwoch zur Abstimmung vorliegende Gesetzesentwurf ist de facto die Reparatur einer EU-Richtlinie aus dem November 2013, die am 6. Mai 2014, also nur wenige Monate nach ihrem Inkrafttreten, vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde. Die Luxemburger Richter hatten moniert, dass das Gesetz auf der Grundlage der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedern formuliert wurde – der EuGH hielt die Verkehrssicherheit als das richtigere rechtliche Fundament, ließ die Richtlinie aber für ein weiteres Jahr gelten, um keinen rechtsfreien Raum zu schaffen. Die nunmehrige Nachjustierung hat wiederum Konsequenzen für jene drei Länder, die nicht dazu verpflichtet sind, im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit mit dem Rest der Union zu kooperieren und folglich bei der ursprünglichen Richtlinie ausgenommen waren: Großbritannien, Dänemark und Irland. Der neue Entwurf ermöglicht ihnen, bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten mitzumachen. Kern der Richtlinie ist der Austausch von Fahrzeug- und Lenkerdaten innerhalb der EU. Es geht darum, den ausländischen Behörden den direkten Zugriff auf den Verkehrssünder zu ermöglichen – und ihm den Strafzettel direkt zukommen zu lassen. In der Vergangenheit war die Verfolgung von Verkehrsdelikten oft daran gescheitert, dass die Behörden in der Heimat des Verkehrssünders kein Interesse daran hatten, Strafen für einen EU-Nachbarn einzutreiben. Das neue Regelwerk sieht den Zugriff auf das europäische Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem vor – ein Bittgang bei den ausländischen Beamten ist also nicht notwendig.

Nur bei schwerwiegenden Vergehen

Die Zusammenarbeit gilt nicht für alle Vergehen, sondern lediglich für besonders schwerwiegende, die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Delikte. Dazu zählt überhöhte Fahrgeschwindigkeit, das Überfahren einer roten Ampel, Trunkenheit und Telefonieren am Steuer, aber auch das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts.

Nach Ansicht von Inés Ayala Sender, der Berichterstatterin des Europaparlaments zu dem Thema, ist die Regelung ein Erfolg auf ganzer Linie. Die Richtlinie „stellte von Beginn an ihr Potenzial unter Beweis, da weniger von ausländischen Fahrern begangene Delikte festgestellt wurden“, heißt es in ihrem Bericht vom Anfang Jänner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

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