Nur gut ein Drittel maturiert: Burschen als „Bildungsverlierer“?

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Derzeit maturieren 51 Prozent der Frauen eines Jahrgangs und nur 36 Prozent der Männer. Dieser Unterschied wird sich verstärken.

Wien. Man könnte annehmen, dass schwache Geburtenjahrgänge und damit einhergehende rückläufige Schülerzahlen automatisch zu einer kleineren Zahl an Maturanten führen. Tun sie aber (zumindest langfristig) nicht. Die Zahl der Maturanten wird bis 2033 um rund sieben Prozent von 42.500 im Vorjahr auf 45.500 steigen. Immer mehr Schüler eines Jahrgangs entscheiden sich dazu zu maturieren – eigentlich sind es vor allem Schülerinnen.

Denn schon jetzt maturieren 51 Prozent der Frauen eines Jahrgangs und nur 36 Prozent der Männer. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern wird sich in den kommenden Jahren sogar noch verstärken. Im Jahr 2033 werden es 60 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer sein. Das geht aus einer im neuen Universitätsbericht enthaltenen Prognose der Statistik Austria hervor. Sollte diese Erwartung tatsächlich eintreffen, dann werde man in Österreich wie schon in Deutschland bald von „Burschen als Bildungsverlierern“ sprechen, sagt die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel zur „Presse“.

Stereotype oder Berufsbildung

Überraschend kommt die Entwicklung für sie aber nicht. Dass weniger Männer maturieren, habe „ganz stark mit Geschlechterstereotypen zu tun“. Von Mädchen wird demnach erwartet, dass sie fleißig sind – und sie entsprechen dem auch häufig. Von Buben werde erwartet, dass sie Mathematik und Naturwissenschaften gut beherrschen, aber eher faul sind. So sei es bei Burschen im jugendlichen Alter „oft total uncool, sich anzustrengen“. Konsequenz: Vor allem Buben aus niedrigeren sozialen Schichten scheiden schon früh aus dem Bildungssystem aus, sagt Bildungspsychologin Spiel.

Eine ganz andere Erklärung für die Geschlechterkluft hat der Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann. Dass immer mehr Mädchen eine Matura anstreben, sei unter anderem eine „historische Spätfolge“. Lang seien Frauen von höherer Bildung ausgeschlossen worden, dann war es ihr Ziel, gleichzuziehen. Dass sie die Männer dabei nun gar übertroffen haben, hat für Hopmann mit dem ausgeprägten berufsbildenden Bildungswesen – Lehre und berufsbildende mittlere Schule – in Österreich zu tun. „Es liegt nahe, dass das berufliche Bildungssystem an der Männerquote bei der Matura nagt“, so Hopmann. Immerhin sorge dieses System dafür, dass ein stabiler Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt. Dass sich vor allem die Männer dazu entscheiden, aus dem „Bildungsgalopp auszusteigen“, lässt sich für Hopmann durch die zumeist handwerkliche bzw. technische Ausrichtung der Berufsbildung erklären.



Die meisten Maturanten wird auch künftig – trotz stärkeren Zuwachses der AHS – die BHS hervorbringen. 2033 werden 23.700 Schüler an den BHS maturieren, 20.000 an den AHS und 1700 an Bildungsanstalten für Kindergarten- bzw. Sozialpädagogik. (APA/beba/j. n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

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