"Besser ein kalter als ein heißer Krieg"

Lithuania's Foreign Minister Linkevicius arrives at an extraordinary EU foreign ministers meeting in Brussels
Lithuania's Foreign Minister Linkevicius arrives at an extraordinary EU foreign ministers meeting in BrusselsREUTERS
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Litauens Außenminister Linkevičius bestätigt, dass sein Land bereits tödliche Waffen an die Ukraine geliefert hat – und kritisiert die Haltung einiger EU-Mitglieder wie Österreich: „Appeasement, bis es zu spät ist.“

Die Presse: Haben Sie eigentlich Hin- oder Beweise, dass Russland Ihr Heimatland Litauen destabilisieren oder sogar angreifen will?
Linas Linkevičius: Die kurze Antwort lautet: Nein. Wir sehen zwar Bewegung auf der russischen Seite, wie zum Beispiel Militärflugzeuge, die in Grenznähe mit abgeschaltetem Transponder unterwegs sind und Ähnliches. Aber das ist – unglücklicherweise – schon üblich.

Und trotz fehlender Hinweise auf einen bevorstehenden militärischen Konflikt gibt Ihr Land ein Handbuch heraus, wie sich die Bürger im Fall eines Kriegsausbruchs verhalten sollen. Ist das nicht etwas hysterisch?
Wenn einer unserer Nachbarn einen anderen unserer Nachbarn angreift, dann ist es doch nur logisch, dass wir unsere nationale Sicherheit verstärken. Darin drückt sich auch die Besorgnis unserer Bürger über Russlands Aggression und asymmetrische Kriegsführung aus. Denken Sie doch nur an die „grünen Männchen“ auf der Krim. Die Ukraine war ein Präzedenzfall.

Sie sehen also tatsächlich eine Gefahr für Ihr Land?
Das lässt sich nicht leugnen.

Sie haben erklärt, man darf dem Kreml kein Wort glauben. Machen die für heute in Minsk angesetzten Verhandlungen über die Ukraine-Krise dann aus ihrer Sicht überhaupt einen Sinn?
Wir wollen uns nicht militärisch einmischen, also müssen wir das Gespräch suchen. Ich bin aber nicht sehr optimistisch. Denn tatsächlich zählt, was auf dem Boden passiert. Wenn die eine Seite ständig ihre Verpflichtungen verletzt, dann müssen wir eine härtere Haltung einnehmen. Leider gibt es in der EU keine Geschlossenheit in der Frage, wie weit diese Reaktion gehen soll. Nicht jeder unterstützt eine härtere Haltung.

Sie denken da an Länder wie Österreich?
Ich werde hier keine bestimmten Länder nennen. Aber es gibt eben jene, die die nötige entschlossene Reaktion nicht wollen. Vielleicht auch wegen ihrer nationalen Interessen.

Österreich und Litauen haben in Schlüsselfragen tatsächlich konträre Ansichten: Die Regierung in Wien lehnt Waffenlieferungen kategorisch ab – und empfiehlt der Ukraine, neutral zu bleiben.
Jeder hat das Recht auf seine eigene Sicht der Dinge. Aber auch wenn es eine friedliche Lösung braucht, müssen wir uns eingestehen, dass da ein Krieg im Gang ist. Zuerst müssen wir eine Lösung für die Ukraine finden – und nicht Appeasement machen, bis es zu spät ist.

Sie bezeichneten mögliche US-Waffenlieferungen an die Ukraine als „logischen Schritt“. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass so ein Stellvertreterkrieg zwischen zwei Nuklearmächten in Europa heraufbeschworen wird?
Während wir uns unterhalten, sterben die Menschen. Die Aggression gegen die Ukraine ist also schon auf ein gefährlich hohes Niveau eskaliert. Und ein Kalter Krieg ist besser als ein heißer Krieg. Dass wir uns dorthin bewegen, war nicht die Wahl Kiews oder Europas sondern jene des Kremls. Die Separatisten werden mit schweren Waffen aufgerüstet. Wir können nicht warten, bis auch andere ukrainische Städte wie Mariupol eingenommen wurden und weiter Beschwichtigungspolitik betreiben. Ich denke, Österreich weiß das.

Ihr Land liefert nach eigenen Angaben bereits Waffen an Kiew.
Wir haben die Ukraine bisher auf alle mögliche Arten mit humanitärer, politischer und militärischer Hilfe unterstützt, darunter waren auch Defensivwaffen.

Was meinen Sie mit Defensivwaffen? Geht es dabei auch um tödliche Waffen?
Ja, es waren auch tödliche Waffen darunter. Mehr sage ich dazu nicht.

Die Gretchenfrage lautet, welchen Plan Wladimir Putin mit seinem Vorgehen in der Ukraine verfolgt. Wissen Sie es?
Nein, aber ich würde es sehr gerne wissen. Ich glaube, was er tut, ist irrational und hat der Wirtschaft seines Landes auch schon schweren Schaden zugefügt.

Ihr Land leidet mit. Russland ist Litauens größter Handelspartner.
Ja, die Sanktionen haben unsere Wirtschaft bereits hart getroffen. Unsere Hersteller müssen sich nach anderen Märkten umsehen.

Und trotzdem unterstützen Litauens Wirtschaftstreibende die Sanktionen?
Ich würde sagen, dass sie Verständnis dafür haben. Denn Krieg schadet der Wirtschaft mehr als Sanktionen, die ja darauf abzielen, eine weitere Aggression Russlands in Europa zu verhindern.

ZUR PERSON

Litauens Außenminister, Linas Linkevičius, ist einer der Falken in der Riege der EU-Chefdiplomaten. Sein Land liefert bereits Waffen an die Ukraine. Der 54-jährige Sozialdemokrat fordert auch andere Länder auf die Ukraine aufrüsten, falls das Minsker Treffen heute scheitert. Litauen ist zwar seit 2004 EU-, und Nato-Mitglied. Das größte baltische Land, seit 1990 unabhängig, fürchtet dennoch eine Aggression Russlands. Auch, weil es im Westen an die russische Exklave Kaliningrad grenzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

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