Jemen kippt in neuen Bürgerkrieg

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YEMEN HOUTHIS CELEBRATIONS(c) APA/EPA/YAHYA ARHAB (YAHYA ARHAB)
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Chaos nach Umsturz. Schiitische Rebellen bringen die Arbeit staatlicher Institutionen zum Erliegen. Westliche Botschaften werden evakuiert.

Kairo/Sanaa. Vier Monate nach der Eroberung der Hauptstadt Sanaa durch schiitische Houthi-Rebellen droht dem Jemen ein Bürgerkrieg. Alle staatlichen Institutionen sind zusammengebrochen, die Zentralregierung existiert nicht mehr. Mehrere westliche Länder, darunter die USA, Großbritannien und Frankreich, brachten am Mittwoch alle Diplomaten in Sicherheit und schlossen ihre Botschaften. In den Tagen zuvor hatten sie bereits größere Mengen an Unterlagen vernichtet. Sämtliche Landsleute wurden aufgefordert, ebenfalls schnellstmöglich auszureisen.

Mitte Jänner war eine gepanzerte US-Limousine an einer Houthi-Straßensperre unter Feuer genommen worden, die beiden Diplomaten konnten trotz 87 abgegebener Schüsse unverletzt entkommen. Auch in der deutschen Mission wurden nach lokalen Medienberichten Vorbereitungen für eine Evakuierung getroffen.

Präsident unter Hausarrest

Ausgelöst wurde die Eskalation am vergangenen Freitag durch die Entscheidung der Rebellen, mit dem Parlament die letzte noch funktionierende nationale Einrichtung aufzulösen. Zuvor hatten die Aufständischen Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi und seinen Premier Khalid Bahah abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. „Die Lage verschlechtert sich rapide, seit die Houthis die Macht übernommen haben“, warnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und forderte die Führung der schiitischen Rebellen auf, Hadi wieder als Präsidenten einzusetzen.

Nach Schätzungen von US-Experten fielen den neuen Herren, die vom Iran unterstützt werden, beträchtliche Mengen an Waffen, Fahrzeugen und Munition amerikanischer Produktion in die Hände. Laut einer Aufstellung des Kongresses lieferte Washington seit 2006 Militärgerät im Wert von 400 Millionen Dollar an das strategisch wichtige Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel. Der Jemen kontrolliert mit dem Golf von Aden eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt.

Nach den Vorstellungen der Houthis, die im Norden des Jemen ihre Siedlungsgebiete haben und rund 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, soll ein 551-köpfiger Provisorischer Rat das aufgelöste Parlament ersetzen und ein fünfköpfiger Präsidialrat die Regierungsgeschäfte führen.

Stopp der Ölförderung

Diese Pläne jedoch werden von wichtigen Teilen der entthronten sunnitischen Machtelite boykottiert. Mehrere Provinzgouverneure weigern sich, Befehle aus Sanaa auszuführen. Sie ließen die Rohölförderung stoppen, die zu 90 Prozent den Staatshaushalt finanziert. Sunnitische Stammeskämpfer rüsten sich derweil zu einem Feldzug gegen die Houthis, bei dem sie auch von al-Qaida unterstützt werden könnten.

Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) gilt als die gefährlichste Filiale des globalen Terrornetzwerks. 500 bis 1000 Mitglieder soll AQAP zählen. Eine kleinere Fraktion der sunnitischen Extremisten allerdings schloss sich Anfang der Woche dem sogenannten Islamischen Staat (IS) an.

Die Drohneneinsätze gegen al-Qaida im Jemen werden nach Einschätzung von US-Fachleuten in Zukunft schwieriger, weil langjährige Informanten im Verteidigungsministerium, beim Geheimdienst oder den Antiterrorbrigaden durch den Houthi-Umsturz in alle Winde zerstreut worden sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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