Hinkley Point C. Die britische Regierung droht mit Gegenmaßnahmen, sollte Österreich gegen den AKW-Neubau klagen. Faymann trifft Cameron.
Wien. Der Konflikt zwischen Österreich und Großbritannien um den Neubau des Kernkraftwerks Hinkley Point C spitzt sich zu. Nachdem die Bundesregierung eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen wettbewerbsverzerrender Subventionierung der britischen Atomkraft angekündigt hat, droht London nun offen mit Gegenmaßnahmen. Die britische Regierung sondiert derzeit Klagemöglichkeiten gegen Österreich. Bundeskanzler Werner Faymann will angesichts der jüngsten Spannungen am Rande des heutigen EU-Gipfels in Brüssel mit Premier David Cameron ein klärendes Gespräch führen. „Wir lassen uns nicht von irgendwelchen Einschüchterungstaktiken verunsichern. Es werden alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden“, kündigte Faymann gegenüber der „Presse“ an. Atomkraft sei keine förderungswürdige Energie, deshalb sei Österreichs Position unverrückbar, so der Bundeskanzler.
Seit Wochen versuchen britische Diplomaten die EuGH-Klage, der sich weitere EU-Länder anschließen könnten, zu verhindern. Zuletzt wurde laut Bundeskanzleramt angekündigt, dass jeder österreichische Minister von seinem britischen Amtskollegen kontaktiert werde. Und das nicht nur auf freundliche Weise. Am Mittwoch veröffentlichte die „Kronen Zeitung“ einen Bericht der österreichischen Botschaft in London. Demnach werde die britische Regierung „in Zukunft jede Gelegenheit wahrnehmen, Österreich in Bereichen zu klagen oder zu schaden, die starke innenpolitische Auswirkungen haben“.
Im Streit geht es um den von der EU-Kommission abgesegneten Neubau des Atomkraftwerks Hinkley Point C. Um die Finanzierung durch private Betreiber abzusichern, hat die britische Regierung einen hohen Abnahmepreis für den im AKW produzierten Strom garantiert. Er soll 35 Jahre lang inflationsangepasst 110 Cent pro MWh betragen und damit deutlich über dem in der EU üblichen Preis für erneuerbare Energie liegen. Die Bundesregierung sieht nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung, sondern fürchtet auch einen Präzedenzfall für die Subventionierung der Atomkraft in weiteren Mitgliedstaaten. Tatsächlich will sich etwa der tschechische Energiekonzern CEZ auf die positive Entscheidung der EU-Kommission zur Förderung von Hinkley Point berufen. „Wir sind überzeugt, dass das Model Hinkley Point trotz aller Spezifika den Weg zu ähnlichen Projekten in Europa eröffnet. In der Vergangenheit war es immer so, dass ein Durchbruch die Tür für andere geöffnet hat“, erklärte kürzlich CEZ-Sprecher Ladislav Kriz.
Die britische Regierung argumentiert, dass Atomkraft den CO2-Ausstoß reduziere. London will laut den diplomatischen Quellen durchsetzen, dass Österreich für den Fall der Nichtanerkennung von Atomkraft als nachhaltige Energiequelle selbst einen größeren Anteil zur Realisierung der Klimaschutzziele der EU tragen müsse.
Hinkley Point C soll rund sieben Prozent des Strombedarfs der britischen Insel decken. Es ist nur das erste von mehreren Großprojekten der Regierung in London. In den nächsten Jahren sind weitere AKW-Neubauten geplant. Die britische Regierung will für den Ausbau der Atomkraft auch Mittel aus dem neuen Investitionsfonds der EU beantragen. Auch dagegen gibt es von Österreich Widerstand.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)