Höhere Steuern in Wien als im Waldviertel denkbar: Wenn Abgaben unterschiedlich sind, nütze das allen, sagt Experte Keuschnigg.
Wien. Ein Steuerwettbewerb sei nicht ruinös. Nein, er biete vielmehr durch den Druck auf Länder oder Gemeinden Anreize, die Ausgaben in der Verwaltung niedrig zu halten. Das ist nur eine der Thesen, mit denen Christian Keuschnigg, früherer Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), für eine grundlegende Reform des Steuersystems wirbt. Laut ihm hätte es mehrere Vorteile, wenn Regionen wichtige Steuern selbst einheben. Und nicht – wie jetzt – die Länder vor allem über den Finanzausgleich Geld vom Bund bekommen.
Peter Bußjäger, Verfassungsjurist und Direktor des in Innsbruck ansässigen Instituts für Föderalismus, hatte bei Keuschnigg eine wissenschaftliche Broschüre zum Thema in Auftrag gegeben. Sie wurde am Mittwoch in Wien präsentiert. Damit wolle man die Debatte ins Laufen bringen, sagte Bußjäger. Auch wenn sich im jetzigen System „alle wohlfühlen“. Aber eine Änderung des Systems hätte durchaus Vorteile.
Als großes Vorbild dient die Schweiz. Keuschnigg, Professor an der Uni St. Gallen, betont, dass die Kantone dort sehr unterschiedliche Steuersätze haben. Die Steuerhöhe sei aber nur ein Teilaspekt bei der Frage, wo sich ein Unternehmen ansiedelt. So könnte in Österreich etwa die schon attraktive Metropole Wien einen höheren Steuersatz vertragen als das Waldviertel. Für Letzteres böte sich aber so die Chance, durch Anreize mehr Unternehmen an sich zu binden.
Angst vor Wegzug wirkt präventiv
Wobei in der Schweiz Bürger und Firmen gar nicht so häufig umziehen, um woanders Steuervorteile zu genießen. Aber allein das Wissen, dass es einen Wettbewerb der Kantone gibt, führe dazu, dass Verwaltungsausgaben möglichst gering gehalten werden, so Keuschnigg. „Und Steuerwettbewerb ist auch mit einem solidarischen Finanzausgleich vereinbar“, meint der Volkswirtschaftler. So greifen in der Schweiz Kantone, die wegen ihrer Ressourcen, ihrer geografischen Lage oder wegen ihrer Bevölkerungsstruktur privilegiert sind, den anderen unter die Arme. Dieser Ausgleich wird per Bundesgesetz geregelt. Ein Aspekt komme der Schweiz zudem sehr zugute, sagt Keuschnigg: die direkte Demokratie. Wenn Bürger über Ausgaben selbst entscheiden, stärke das die Zahlungsmoral.
Freilich gibt es auch Experten, die eine Stärkung des Bunds präferieren. Franz Fiedler, einst Vorsitzender des Österreich-Konvents, hat erst kürzlich betont, dass mehr Kompetenzen und eine Steuerhoheit für die Länder nur die zweitbeste Variante wäre. Besser wäre es, dem Bund mehr Aufgaben zu geben und so die Verwaltung zu straffen.
Förderungen: Wien gegen Reformpläne
Apropos Bund-Länder-Verhältnis: In ihrem Bericht zum Thema Förderungen schlägt die von der Regierung eingesetzte Aufgabenreformkommission unter Verwaltungsgerichtshof-Präsident Rudolf Thienel nun eine klare Abgrenzung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vor. Zudem soll die Transparenzdatenbank ausgebaut werden. So will man das Problem der Mehrfachförderungen in den Griff bekommen. Momentan gebe es eine „Unüberschaubarkeit der Förderungslandschaft“, heißt es im Bericht.
13 Milliarden Euro wurden 2013 für Förderungen ausgegeben; Davon kamen 6,2 Mrd. Euro vom Bund (ohne EU-Beiträge und Bankenhilfen), 3,7 Mrd. von den Ländern, 2,9 Mrd. von den Gemeinden und 202 Mio. Euro von den Sozialversicherungen. Weiters schlägt die Kommission vor, dass es Förderungen nur befristet und nach einem positiver Evaluierungsergebnis geben soll. Auf Bundesebene ist das schon vorgesehen.
Das Land Wien hat aber angekündigt, dem Papier der Expertengruppe zum Thema Förderungen keine Zustimmung zu erteilen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)