Geldpolitik: Der schwedische Zinsschock

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Schweden will sich im Währungskrieg nicht abhängen lassen und senkt den Leitzins ins negative Terrain. Auch eine eigene Variante von Quantitative Easing soll gestartet werden.

Wien/Stockholm. Die Nachricht kam am Donnerstag scheinbar aus dem Nichts. Wie zuvor die Kollegen in der Schweiz überraschte die schwedische Nationalbank (Riksbank) die Märkte, als sie ihren wichtigsten Leitzins (Repo-Rate) ins negative Territorium bewegte: von null auf –0,10 Prozent.

Banken, die sich bei der Notenbank Geld leihen, werden also in Zukunft dafür bezahlt. Und damit nicht genug: Die Geldpolitik soll zusätzlich gelockert werden, indem man eine schwedische Variante des Gelddruckprogramms Quantitative Easing ausprobiert.

„Bereit, noch mehr zu lockern“

Noch in diesem Monat will man über den Kauf von Staatsanleihen zehn Mrd. Kronen (rund 1,04 Mrd. Euro) in den Markt pumpen – was nominell das bisher kleinste QE-Programm einer Notenbank ist. Die Riksbank gab aber zu verstehen, dass diese erste Runde QE als Testlauf gedacht ist und die Summe der Anleihenkäufe in Zukunft ausgeweitet werden könnte. Interessantes Detail: Im Gegensatz zur „großen Schwester“ EZB startet die Riksbank ihr QE-Programm sofort – die EZB legt erst im März los.

„Wir sind bereit, die Geldpolitik noch mehr zu lockern“, sagte Riksbank-Chef Stefan Ingves am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Die Riksbank sehe im Prinzip keine Grenze dafür, wie weit der Zinssatz ins Negative sinken könne. Erst wenn die Inflationsrate knapp unter zwei Prozent liege, könne man über ein Ende der lockeren Geldpolitik nachdenken. Die schwedische Notenbank geht davon aus, dass dies nicht vor der zweiten Hälfte des Jahres 2016 erreicht sein wird. Im Dezember fielen die Preise in Schweden (genau wie in der Eurozone) um 0,3 Prozent. Schweden folgt jetzt zwar den großen Notenbanken (Federal Reserve, Bank of England, Europäischer Zentralbank und Bank of Japan) in den Währungskrieg, also einen Abwertungswettlauf mit ungewissem Ausgang – hat aber eine Sonderrolle.
Grund ist die starke Verschuldung schwedischer Haushalte. Bis ins Jahr 2014 hielt die Riksbank an vergleichsweise hohen Zinsen fest, um die weitere Verschuldung der Haushalte nicht noch anzuheizen. Aber dieses Ziel hat man erst einmal auf Eis gelegt.

Durchwachsene Reaktionen

So sagte Ingves am Donnerstag zwar, dass die hohe Verschuldung der Privaten ein Problem sei, gegen das man vorgehen müsse. Mehr gab es zu dem Thema aber nicht – die Lockerung der Geldpolitik scheint also reiner Selbstzweck zu sein. Die Schwedische Krone gab nach der Ankündigung rund 2,1 Prozent nach. Die schwedische Börse, an der unter anderen H & M sowie Ericsson notieren, erreichte hingegen ein neues Allzeithoch.
Der Leitzins soll im zweiten Quartal auf minus 0,11 Prozent und im ersten Quartal 2016 auf minus 0,12 Prozent gesenkt werden. Im ersten Quartal 2017 soll der Zinssatz dann wieder in den positiven Bereich drehen und bei 0,57 stehen.

Die Zentralbank des Nachbarlandes Dänemark hat ihre Zinsen heuer schon auf minus 0,75 Prozent gesenkt. Die Reaktionen auf den schwedischen Schritt fielen unterschiedlich aus. „Es gibt eigentlich keinen Grund, so eine aggressive Geldpolitik zu verfolgen“, sagte Torbjoern Isaksson, Chefanalyst der Nordea Bank in Stockholm: „Das könnte mehr Probleme verursachen als es löst.“

Tina Mortensen, Ökonomin bei der US-Bank Citigroup, bleibt neutral: „Es gibt einen neuen Währungskrieg und wer nicht mitmacht, muss über kurz oder lang dafür bezahlen.“ Colin Bermingham von BNP Paribas fügt hinzu: „Die Ankündigung der Anleihenkäufe war die eigentliche Überraschung. Die Größe des Programms bei knapp einer Milliarde Euro ist ein Hinweis darauf, dass es sich nur um eine Übung für den Ernstfall handelt. Das soll zeigen, dass die Notenbank bereit ist, Quantitative Easing im großen Stil durchzuführen.“

Auf einen Blick

Schwedische Banken werden jetzt dafür bezahlt, wenn sie sich Geld bei der Zentralbank leihen. Die Riksbank senkte den wichtigsten Leitzins am Donnerstag von null auf minus 0,10 Prozent – und will ihn in den kommenden zwei Jahren noch weiter senken. Gleichzeitig geht sie ihre eigene Variante des Gelddruckprogramms Quantitative Easing an. Grund sind die fallenden Inflationsraten in Schweden, die sich zu weit vom Ziel der Notenbank entfernt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2015)

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