Ganz so schön war die Schöne nicht

Berliner Ärzte haben Nofretete geröntgt und ein zweites Gesicht gefunden.

„Lebensgroße bemalte Büste der Königin, 47 Zentimeter hoch. Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen.“ Das notierte der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt im Dezember 1912 über den Fund aus dem 14. Jahrhundert vor Christus, den er in der Werkstatt des Bildhauers Thutmosis in Tell-el-Amama gemacht hatte: die Büste der Nofretete, zu Deutsch: „Die Schöne ist gekommen.“

Aber vielleicht war sie gar nicht so makellos, wie Thutmosis sie dargestellt hat, das ist die jüngste Wendung in der endlosen Geschichte um Nofretete beziehungsweise ihre Büste. Zunächst sollte sie gar niemand genau sehen, Borchardt brachte sie eher verdeckt an den ägyptischen Ausfuhrbehörden vorbei, ein Zeuge beobachtete „Vermogelung des Materials“, das „nicht gerade in bester Beleuchtung“ vorgeführt wurde. Dann war die Schöne zwar in Berlin, aber sie wurde jahrelang nicht gezeigt, Borchardt sorgte dafür, er fürchtete „Verschärfungen“ bei weiteren Ausfuhren, wenn die Ägypter sähen, was da außer Landes gegangen wurde.

Erst 1924 wurde sie gezeigt, Ägypten wollte sie zurückhaben, man wurde sich in den 30ern fast einig, dann legte Hitler persönlich die Hand darauf, er wollte das „Juwel“. Es kam der Verdacht, er habe es bekommen und in Berlin sei nur eine Kopie ausgestellt, es kam der Krieg mit seinen Wirren auch für Nofretete und weiterer Verdacht, was in Berlin sei, sei nicht das Original. 1992 wies ihn Museumsdirektor Dietrich Wildung mit dem Hinweis auf ein Röntgen im Computertomografen zurück.

Nun hat man sie wieder hineingelegt, die Technik ist fortgeschritten und zeigt Feinheiten, die für die Echtheit sprechen – und gegen die Schönheit: Unter dem äußeren Gesicht (aus Gips) ist noch eines, das direkt in den tragenden Sandstein gemeißelt ist: Es zeigt Altersfalten um den Mund herum, einen kleinen Höcker auf der Nase, weniger stark ausgebildete Wangenknochen. Vielleicht hat Gatte Echnaton sie schöner sehen wollen, mutmaßen die Radiologen um Alexander Huppertz (Charité Berlin), vielleicht wusste Thutmosis schon selbst um die höhere Wahrheit der Kunst (Radiology, 31.3.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2009)

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