Der Schah brachte Adolf Schärf den Tod

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Der Bundespräsident wollte vor fünfzig Jahren unbedingt den persischen Herrscher in Schwechat begrüßen. Im Schneesturm holte er sich eine Lungenentzündung, 14 Tage später war er tot. Schah Reza Pahlevi erholte sich in Gastein.

Wien-Schwechat, Dienstag, 16. Februar 1965. Auf dem Flugfeld friert das Empfangskomitee: Bundespräsident, Vizekanzler, Kabinettsdirektor, Bürgermeister, Polizeipräsident. Der „König der Könige“ macht wieder Station in Österreich: Als der persische Alleinherrscher Schah Reza Pahlevi aus der Panam-Maschine klettert, fegt ein eisiger Schneesturm über die Piste. Der 74-jährige Bundespräsident, Adolf Schärf, hat sich allen ärztlichen Verboten entzogen und trotzt dem Eisregen. Seine Gesundheit ist angegriffen, er ist vom Tod gezeichnet.

Der legendenumwitterte Schah-in-Schah aus fernen Landen ist inzwischen ein guter Bekannter. Vor gut einem Jahr war er zum letzten Mal in Wien. Im Rathaus hatte ihm Franz Jonas das Goldene Buch zur Unterschrift präsentiert, sodann einen Grinzinger Wein aus dem Jahr 1936, von dem nur mehr 24 Flaschen vorhanden waren. Der Wein hatte im Keller des Rathauses den Krieg überlebt. Seine Majestät begnügte sich allerdings damit, das Glas auf das Wohl der Stadt Wien zu erheben, ohne zu kosten.
Diesmal, 1965, nimmt sich der Herrscher auf dem Pfauenthron nicht so viel Zeit. Umjubelt von persischen Landsleuten begiebt er sich zum Westbahnhof, wo ihn der Salonwagen des Bundespräsidenten nach Gastein bringen wird. Reza Pahlevi plant einen vierzehntägigen Kuraufenthalt.

Für die Hochglanzzeitungen ist der ferne Herrscher, seine Trennung von Prinzessin Soraya aus dynastischen Gründen, die Vermählung mit der ebenso hübschen Farah Diba, eine fette Beute. Sein Leben in Saus und Braus, seine Abstecher nach Sankt Moritz, ein Tänzchen in der Disco, das Frederic Morton erwähnt, all das füllt die Gazetten. Während also Reza Pahlevi seiner Rekreation in Gastein obliegt, verschlechtert sich das Leberleiden Adolf Schärfs dramatisch. Denn jetzt kommt durch den unnötigen Ausflug nach Schwechat die Lungenentzündung dazu. Der Schah telefoniert täglich mit Wien, aber für einen Abschiedsbesuch ist es zu spät. Nach vierzehn Tagen, am 1. März 1965, ist der 3. Präsident der Zweiten Republik tot.

Schon ein früherer Schah aus einem anderen Clan hatte Wien einst außer Rand und Band versetzt. 1873 war das, und Persien besaß einen eigenen Pavillon bei der Wiener Weltausstellung. Schah Nasreddin war extrem unkonventionell, hoch gebildet, aber exzentrisch, kam mit seinem ganzen Harem, wie die Gazetten tagtäglich staunend berichteten. So weigerte er sich, sein Quartier im Schloss Laxenburg zu verlassen, bevor er die schöne Kaiserin Elisabeth gesehen hätte. Diese aber hatte sich gleich nach der Eröffnung der „Expo“ ins Ausland begeben. Nasreddins Besuch des Ausstellungsgeländes im Prater war wohl der unbestrittene Höhepunkt des Millionenprojekts Weltausstellung, das nicht zur Gänze glückte. In sein Tagebuch notierte der wissensdurstige Schah-in-Schah etwas spitz: „Heute hat man mich in den Riesenbasar geführt, den man Weltausstellung nennt. Es wird das Reich, wie ich mir berichten ließ, siebzehn Millionen kosten, das ist für die Befriedigung der Eitelkeit einer Stadt, wie mir scheint, doch viel zu viel.“ Joseph Roth hat aus Nasreddins Besuch ein Märchen gesponnen, das in seiner Anmut unvergleichlich ist: Die „Geschichte von der 1002. Nacht“.

Zurück zu Schah Reza Pahlevi, dessen Vater erst eine neue Dynastie gegründet hatte: Demonstrationen gegen das repressive System im Iran gab es im Wien der Sechzigerjahre keine. Die Studenten waren strebsam, die Hochschülerschaft wurde dominiert von der VP-nahen Aktionsgemeinschaft leicht Mitte links unter Führung von Stephan Schulmeister, an einigen Hochschulen führte der Ring Freiheitlicher Studenten die ÖH an (Boku, Leoben). An der TU Wien war Helmut Krünes der Anführer.

Erst des Schahs Deutschland-Reise 1967 brachte den Wendepunkt. Beim Staatsbesuch rebellierten die Linken, bei der Großdemo in Berlin kam es zu jenem Tumult, bei dem Benno Ohnesorg von einem Wachtmeister in Zivil namens Kurras tödlich angeschossen wurde. Der Mann war, wie sich Jahrzehnte später herausstellte, Spitzel des DDR-Geheimdienstes. Ohnesorgs Tod wurde zur Heldenlegende hochstilisiert, der Widerstand gegen Axel Springer und seine „Bild“-Zeitung eskalierte schließlich im blutigen Terror der RAF.

Ein Traum in Persepolis

Noch aber saß Mohammed Reza Pahlevi mit US-Hilfe fest im Sattel. 1971 veranstaltete er ein bombastisches Fest in der Wüste: „2500 Jahre Persisches Reich“. Denn er sah sich in einer Linie mit den vorislamischen Achämeniden-Königen. Tausend Staatsgäste bewirtete man bei diesem Fest in den Ruinen der einstigen antiken Metropole Persepolis. Auch „Die Presse“ erlag diesem Glanz und entsandte die Vize-Chefredakteurin. Alles kam aus Paris, die Pläne, die riesige Zeltstadt, die Innenausstattung, die Tischwäsche, die Kronleuchter aus Baccarat-Kristall, Geschirr aus Limoges. Und die Mannschaft des Pariser Maxim's wurde einfach eingeflogen: 165 Köche, Sommeliers und Kellner. Mit ihnen 25.000 Flaschen Wein, 7000 Pfund Fleisch, 8000 Pfund Butter und Käse. Am Eingang zur bescheidenen Totenkammer des antiken Perserkönigs Kyros bei Persepolis rief Reza Pahlevi pathetisch in den hallenden leeren Grabraum: „Schlaf ruhig, Kyros, ich wache!“

Während Staatschefs, Könige und Präsidenten gebratene Pfauenzungen genossen, höhnte im Pariser Exil Ayatollah Khomeini über dieses Regime, das sich mit US-Waffen, Geheimdienstlern und Folterungen an der Macht hielt. Acht Jahre später fegte die islamische Revolution den Schah hinweg. Am 16. Januar 1979 verließen er und seine Familie für immer das Land. Viele Milliarden von US-Dollar waren in den Jahrzehnten vergebens „investiert“ worden.

Nächsten Samstag:
Erich Lessings fotografisches Lebenswerk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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