Siegfried Wolf: „Wer in Russland bleibt, wird für Treue belohnt“

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In Russland gebe es großes Unverständnis für die Sanktionen, sagt Russian-Machines-Aufsichtsratschef und Ex-Magna-Manager Siegfried Wolf. An der wirtschaftlichen Krise in der Ukraine sei auch die dortige korrupte Politik schuld.

Die Presse: Die Minsker Einigung über einen Waffenstillstand in der Ukraine hat im Westen für viel Hoffnung, aber auch für Skepsis gesorgt. Wie sieht man die Situation eigentlich in Russland?

Siegfried Wolf: Ich glaube, dass dies ein erster wichtiger Schritt ist. Es gibt ein klares Bekenntnis aller Seiten, dass man wirklich an Frieden interessiert ist, was ja letztlich auch die Bevölkerung will. Daher gibt es hier in Russland eine sehr positive Stimmung und ein Aufatmen in der Wirtschaft. Aber natürlich gibt es ebenfalls eine Skepsis dahingehend, ob dieser Frieden vom einen oder anderen nicht wieder gebrochen wird.

Die Erleichterung in der Wirtschaft ist auch im Westen zu spüren – der deutsche Leitindex DAX übersprang am Freitag erstmals die Schwelle von 11.000 Punkten. Können Europa und Russland nun aus der wirtschaftlichen Pattsituation kommen?

Das hoffe ich sehr. Denn in Summe muss man nämlich fragen, wem die Sanktionen mehr geschadet haben. Kurzfristig natürlich Russland, langfristig ist aber auch Europa negativ betroffen.

Hätte es die jüngsten politischen Fortschritte gegeben, wenn der wirtschaftliche Druck nicht so groß gewesen wäre?

Ich denke, wir haben sehr schnell die Russen für die Ukraine-Krise verantwortlich gemacht. Wir sollten uns aber auch einmal Gedanken machen, welche Reformen es eigentlich in der Ukraine brauchte und was geschehen ist, seit die neue Regierung angetreten ist. Denn dort wird bei der Frage, warum es dem Land so schlecht geht, gern mit dem Finger auf andere gezeigt. Dem Land geht es aber auch deshalb so schlecht, weil es korrupte Regierungen hatte und keine wirtschaftlichen Reformen gemacht wurden.

Aber die Sanktionen wurden ja wegen der militärischen Unterstützung Moskaus für die Separatisten verhängt.

Ich lebe und arbeite in Russland und möchte daher in solch politischen Fragen keinen Kommentar abgeben.

Wie drastisch ist die wirtschaftliche Lage in Russland nun? An den Finanzmärkten hat es bei Russland-lastigen Aktien zuletzt ja eine richtige Panik gegeben.

Es wird sicherlich eine Rezession im Ausmaß von ein bis zwei Prozent geben. Man muss das Ganze aber auch als Chance für die russische Volkswirtschaft sehen, sich unabhängiger von Rohstoffen und eigenständiger in Bereichen wie der Lebensmittelindustrie zu machen. Denn eigentlich ist in dem Land alles da, und wir haben mit Russian Machines auch bewiesen, dass wir bei der Qualität und dem Preis international wettbewerbsfähig sind. Das ist einfach eine Notwendigkeit und steht daher auch auf der Agenda von Präsident Wladimir Putin.

Wie stark sind die Sanktionen spürbar?

Die Sanktionen spüren die russischen Unternehmen vor allem durch die Schwäche des Rubel. Dadurch wurden Zahlungen in Euro oder Dollar plötzlich um 30 bis 40 Prozent teurer, wenn das Unternehmen die eigenen Einkünfte in Rubel erzielt.


Wie geht es derzeit eigentlich einem Ausländer in Russland?

Wenn man mit den Menschen hier jahrelang eng zusammenarbeitet und es dann plötzlich aufgrund einer Diktion der Amerikaner Sanktionen gibt, dann sieht man bei den Russen vor allem Unverständnis. Im Gegenzug werden die Bande zu jenen enger, die Russland auch in dieser schwierigen Situation nicht den Rücken gekehrt haben. Das gegenseitige Vertrauen wird also noch größer. Und hier ist mir wichtig zu sagen, dass das natürlich nicht bedeutet, die Menschenrechtsdiskussion komplett außer Acht zu lassen.

Firmen, die derzeit in Russland sind, sollen die Sache also aussitzen.

Wer hier investiert ist, hat ohnehin keine andere Chance, als das Ganze auszusitzen. Wer jetzt also diesen Weg mit Russland mitgeht, kann seine Position stärken und wird langfristig für seine Treue belohnt werden.

Sollten heimische Firmen in der jetzigen Situation noch auf diesen Markt streben?

In jenen Bereichen, in denen die Voraussetzungen im Land gut sind, die aber technologisch modernisiert gehören, lohnt es sich sicherlich, dabei zu sein. Dazu gehören etwa die Landwirtschaft und der Maschinenbau.

Sie haben früher öfters gemeint, dass sich Europa manches von Russland abschauen sollte. Sehen Sie das immer noch so?

Es gibt in Europa nach wie vor eine zu große Überregulierung. Wirtschaftlich sinnvolle und notwendige Entscheidungen können in Russland schneller getroffen werden. Es wäre für Europa also gut, wenn ein investitionsfreundlicheres Klima geschaffen würde.

Es heißt häufig, dass sich Russland stärker von Europa abwenden und gen Osten – nach China – richten könnte. Ist das eine reale Entwicklung?

Das ist eine reale Entwicklung. China nutzt die gegenwärtige Situation auch mit einer enormen Aggressivität aus, um mit eigenen Produkten europäische Hersteller aus dem russischen Markt zu drängen. Daher wäre es sehr wichtig, dass wir in unseren Beziehungen zu Russland wieder in ein vernünftiges Fahrwasser kommen. Denn grundsätzlich hat Russland im Wappen ja den Doppeladler. Solang also die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Europa für Russland attraktiv ist, wird es kein Problem sein, wenn sich ein Kopf dieses Adlers nach Osten dreht, während der andere weiter nach Westen blickt.

Veranstaltungshinweis

„Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“
ist eine Kooperation von „Presse“, Erste Group und WU Wien. Am 16. Februar diskutieren Martin Winner, Vorstand des Departments für Unternehmensrecht und Siegfried Wolf, Aufsichts-ratsvorsitzender von Russian Machines , über das Thema: „Das Geschäft mit dem Osten – Perspektiven für den Standort Europa“. Die Veranstaltung wird von „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak moderiert. diepresse.com/unplugged

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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