Digital: „Lern-Apps sind oft nur ein schicker Schnickschnack“

(c) Bloomberg (Jin Lee)
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Jugendliche wollen in der Schule gar nicht mit Lernspielen beglückt werden, sagt die Jugendkulturforscherin Beate Großegger.

Die Presse: Der Gründer der niederländischen iPad-Schulen beklagt, dass Schüler in herkömmlichen Schulen für die Vergangenheit und nicht für die Zukunft ausgebildet werden. Hat er recht?

Beate Großegger: Das ist eine verkürzte Wahrnehmung. Um Schüler fit für die Zukunft zu machen, braucht es mehr als den Einsatz digitaler Medien. Darüber sollte man sich Gedanken machen.

Digitale Medien sind aber Teil einer zukunftsorientierten Ausbildung, oder?

Ich würde nicht sagen, dass das iPad die Zukunft markiert. Es ist die Gegenwart. Und mit den Tools der Gegenwart soll gearbeitet werden.

Mehr, als es jetzt der Fall ist?

Das ist eine Kostenfrage. Nicht jeder kann sich ein iPad leisten. Derzeit bieten nur spezielle Schulen Notebook- oder iPad-Klassen an.

Welche Aufgabe hat die Schule im Bezug auf digitale Medien?

Es geht nicht um die Bedienung der Geräte. Das erlernen Kinder sehr schnell. Da hapert es eher bei den Älteren. Es brauchte Lehrer-, Eltern- und Großelternschulung. Ein großer Teil der heutigen Elterngeneration hat einst den Schritt vom Rechenschieber zum Taschenrechner gemacht. Die heutige Jugendgeneration macht den Schritt von der Buch- und Printrecherche zur Onlinerecherche. Dabei soll sie die Schule unterstützen. Den Schülern soll eine gewisse Selektionskompetenz vermittelt werden. Damit sie die relevanten Informationen aus der Masse herausfiltern können.

Kann auch das Lernen mit Apps– also mit Programmen für iPad oder Handy – eine sinnvolle Ergänzung sein?

Aus meiner Sicht ist es sehr oft ein schicker Schnickschnack. Anfangs hat man bei den Computerspielen versucht, sperrige Lerninhalte lustiger zu gestalten. Dabei sehen wir in der Jugendforschung, dass Lernspiele die unpopulärste digitale Spielform sind. Jugendliche möchten mit den Dingen, die in ihrer Kultur relevant sind, nicht auch noch pädagogisch beglückt werden.

Sie lernen lieber traditionell?

Traditionell würde ich nicht sagen. Aber nicht alles, was Jugendliche in ihrem Alltag als wichtig empfinden, sollte für pädagogische Zwecke benutzt werden. Sie trennen klar zwischen Freizeitinteressen und Schule. Schule darf zwar Spaß machen, aber prinzipiell geht es hier um Lernen und nicht um Spielen. Insofern sollte Schule die Vor- und Nachteile beider Welten – der analogen und der digitalen – aufzeigen.

Was bedeutet das für die Lehrer?

Der technologische Wandel schreitet rasant voran. Lehrer können ihr Fachwissen also nicht einfach nur weitergeben. Sie müssen die Didaktik an die neuen Technologien anpassen. Die Lehrenden sind die lebenslang Lernenden.

Sollten Eltern ihren Kindern klare Grenzen beim Umgang mit digitalen Medien setzen?

Der erhobene Zeigefinger nützt gar nichts. Eltern sollten Vorbilder sein und das Smartphone beim Abendessen weglegen. Fakt ist, dass sich Jugendliche sogar besser bewusst ausklinken können als Erwachsene.

ZUR PERSON

Beate Großegger (48) ist wissenschaftliche Leiterin und stellvertretende Vorsitzende des Instituts für Jugendkulturforschung. Großegger ist promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und seit dem Jahr 1996 in der Jugendforschung tätig. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

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