Der "amerikanische Alptraum" des Malcolm X

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Vor 50 Jahren wurde der schwarze Bürgerrechtler Malcolm X erschossen. Das FBI soll angeblich weggesehen haben.

"Ich mache mir keine Sorgen. (..) Ich lebe wie ein Mann, der bereits tot ist." Wenige Tage vor seiner Ermordung präsentiert sich Malcom X als Fatalist. Fast täglich erhält er Todesdrohungen, vor kurzem musste er nach einem Brandanschlag mit Frau und Töchtern aus seinem Haus flüchten. Dennoch weist der schwarze Bürgerrechtler am Nachmittag des 21. Februar 1965 seine Leibwächter an, bei einem Auftritt im New Yorker Stadtteil Harlem keine Waffen zu tragen. Kurz darauf ist der 39-Jährige tot. Erschossen wurde er von ehemaligen Mitstreitern, über die genauen Umstände wird bis heute spekuliert. Und auch die Figur Malcolm X zählt nach wie vor zu den umstrittensten der US-Geschichte.

Mehrere radikale Wandlungen prägen Malcolms Leben. Geboren wird er am 19. Mai 1925 in Nebraska als Malcolm Little. 1929 siedelt sich die Familie in Michigan in einem weißen Viertel an, doch eine Gruppe weißer Männer brennt ihr Haus nieder. Zwei Jahre danach stirbt Malcolms Vater auf den Schienen einer Straßenbahn - ein Unfall, so die offizielle Version, ein rassistischer Mord nach der Überzeugung der Familie. Die Mutter wird später in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Malcolm zieht zu einer Halbschwester nach Boston, rutscht in Drogenhandel und Zuhälterei ab. Wegen einer Serie von Diebstählen wird er 1946 zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Im Gefängnis vollzieht Malcolm seine erste Wandlung: Er beginnt sich weiterzubilden, konvertiert zum Islam und schließt sich der "Nation of Islam" (NOI) an. Die NOI unter ihrem charismatischen Anführer Elijah Muhammad tritt für eine Abspaltung der Schwarzen von den als minderwertig angesehenen Weißen ein. Wie alle Mitglieder legt Malcolm den einst von Sklavenhaltern gegebenen Nachnamen ab und ersetzte ihn durch ein "X". Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung 1952 steigt er in der Organisation rasch auf. Mit seinem rhetorischen Talent reißt er sowohl Arbeiter als auch Akademiker mit. Unter ihm als "Nationaler Repräsentant" steigt die Mitgliederzahl der NOI auf über 50.000 an.

"Ich sehe keinen amerikanischen Traum"

"Ich sehe keinen amerikanischen Traum, ich sehe einen amerikanischen Alptraum", sagt Malcolm über die Situation der schwarzen Bevölkerung. "Mit allen notwendigen Mitteln" solle diese den Kampf gegen Diskriminierung führen. Damit grenzt er sich auch klar von dem Gewaltfreiheit predigenden Martin Luther King ab: "Er hat den Friedenspreis, wir haben das Problem."

Mehrere politische wie auch persönliche Gründe führen schließlich zum Bruch mit der NOI. So äußert sich Malcolm schadenfroh über die Ermordung von Präsident John F. Kennedy, die NOI distanziert sich. Außerdem findet Malcolm heraus, dass Elijah Muhammad (der selbst jede moralische Verfehlung bestrafen lässt) mehrere außereheliche Kinder hatte, darunter angeblich auch eines mit einer Ex-Geliebten Malcolms. Fortan gilt Malcolm der NOI als Feind.

Der Bruch führt zu einer weiteren persönlichen Wandlung: Nach einer Pilgerreise nach Mekka nennt Malcolm sich El-Hajj Malik El-Shabazz und verwirft einige seiner früheren radikalen Standpunkte. Mit zwei neu gegründeten Organisationen versucht er, den Kampf um Gleichberechtigung für Schwarze auf die internationale Bühne zu hieven. Er sucht Verbündete in Afrika und forderte die UNO auf, die USA wegen Verletzung der Menschenrechte ihrer schwarzen Bevölkerung zu verurteilen. Auch die Zusammenarbeit mit Martin Luther King lehnt er nun nicht mehr ab - und nicht einmal mehr mit den Weißen, die er einst noch als "blauäugige Teufel" geschmäht hat.

Am 21. Februar 1965 hat Malcolm keine Gelegenheit mehr, seinen Zuhörern seine neuen Überzeugungen zu erklären. Mit "As-salaam aleikum" begrüßt er das Publikum, kurz darauf hallen Schüsse durch den Audubon-Ballsaal. Malcolm X bricht zusammen, Gerichtsmediziner zählen später 21 Schusswunden.

Nicht alle Täter gefasst?

Drei Mitglieder der Nation of Islam werden für die Tat verurteilt, nur einer bekennt sich schuldig. Mögliche Hintermänner bleiben im Dunklen. Der Historiker Manning Marable argumentiert in seiner Malcolm-X-Biographie, dass der tödliche Schuss von einem weiteren NOI-Mann abgegeben worden sei, der noch heute unbehelligt in der Nähe von New York lebe. Er befeuert außerdem schon unmittelbar nach dem Attentat laut gewordene Spekulationen, dass die Behörden von den Mordplänen gewusst und nichts unternommen hätten. Immerhin hörte das FBI sowohl die Nation of Islam als auch Malcolm ab. "Das Zusammenspiel der Interessen von Vollzugsbehörden, Geheimdiensten und der Nation of Islam sorgte zweifellos dafür, dass der Mord an Malcolm leichter ausführbar war", schreibt Marable.

Nach seinem Tod wurde Malcolm zur Legende. Die Black Panther Party und andere schwarze nationalistische Bewegungen beriefen sich auf seine Lehren. Später zitierte die Hip-Hop-Szene ausgiebig aus Malcolms Reden. In den 1990ern boomten "X"-Produkte, Bill Clinton drehte während seiner Amtszeit mit einer X-Mütze seine Lauf-Runden.

Heute ist ein Schwarzer Präsident, das Ziel schwarzer Bürgerrechtler wie Malcolm X scheint dennoch noch nicht vollständig verwirklicht. "In der Ober- und Mittelschicht haben Schwarze heute fast die gleichen Chancen wie Weiße", sagt Bryan Epps, Direktor des Shabazz-Centers in Harlem. Aber: "In der Unterschicht gibt es noch den Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Armut, Drogen und Kriminalität. Und aus weißer Polizeigewalt. In dem Punkt ist Malcolm X heute so aktuell wie damals."

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