Peter Oborne, Chefkommentator des „Telegraph“, trat wegen HSBC-Berichterstattung zurück.
London. Der HSBC-Skandal schickt nicht nur Schockwellen durch die Bankenbranche – er hat auch die britischen Medien getroffen. Der Chefkommentator des konservativen „Daily Telegraph“ ist am Dienstag zurückgetreten – aus Protest gegen die Berichterstattung seiner Zeitung über HSBC und den Bankensektor generell bzw. aus Protest gegen das Fehlen kritischer Berichterstattung.
In einem seitenlangen offenen Brief wendet sich der zurückgetretene Peter Oborne auch an die Öffentlichkeit – und geht mit seinem ehemaligen Arbeitgeber scharf ins Gericht. Die Abwesenheit kritischer Berichterstattung zu Bankenthemen sei ein „Betrug an den Lesern“, so Oborne. Während andere britische Blätter über den Skandal rund um die schweizerische HSBC-Privatbank breit berichtet haben, hätte man die Berichterstattung dazu im „Telegraph“ „mit dem Mikroskop“ suchen müssen. Hintergrund sei die wachsende Nähe zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung. Offenbar wollten die „Telegraph“-Eigentümer HSBC davon überzeugen, doch wieder Anzeigen in der Zeitung zu schalten.
HSBC hat alle Inserate zurückgezogen, nachdem investigative Reporter des „Telegraph“ im November 2012 eine Serie von Artikeln über die fragwürdige Praxis der HSBC-Zweigstelle auf der Kanalinsel Jersey veröffentlicht haben. Die Fakten glichen dem aktuellen Skandal der schweizerischen Zweigstelle, so Oborne. Aber das war nicht der einzige Grund für Obornes Rücktritt. In seinem offenen Brief beklagt er auch die eingekehrte „Klick-Kultur“ bei der Zeitung und die plötzliche Akzeptanz ungenauer Berichterstattung – die er so zuvor nie erlebt habe. (jil)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2015)