GM droht ein Blitzkonkurs

(c) AP (Carlos Osorio)
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Die Regierung glaubt nicht mehr an die Rettung des maroden Autokonzerns und forciert eine Aufspaltung. Die jüngsten Zahlen erhärten die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz.

WASHINGTON. Der Schock über den harten Kurs der Obama-Regierung gegenüber der US-Autoindustrie ist in Detroit noch nicht verdaut, da zeichnet sich eine noch härtere Zäsur ab. Offenbar hat Barack Obama den beiden angeschlagenen Konzernen Chrysler und GM tatsächlich nur eine Gnadenfrist von 30 beziehungsweise 60 Tagen eingeräumt, die Unternehmen gesundzuschrumpfen. Wie aus Regierungskreisen in Washington verlautete, sieht der Masterplan des Weißen Hauses vor, GM in eine Blitzinsolvenz zu führen – ein „chirurgischer“ Konkurs im „Schnelldurchlauf“, wie es heißt. Dasselbe Schicksal droht Chrysler, sollte sich eine Fusion mit Fiat zerschlagen. Ein eher schwaches Dementi hat die Spekulationen nur genährt.

Die jüngsten Zahlen erhärten die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz. Die Absatzzahlen sind mit einem Minus von mehr als 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr noch weiter eingebrochen, die Aktie ist um beinahe 30 Prozent abgesackt. Der neue GM-Chef Frederick („Fritz“) Henderson hat sich mit der Variante offenkundig bereits abgefunden. In einer Mitarbeiterversammlung hat er die Konkursoption offen angesprochen. Möglicherweise werde er die 60-Tages-Frist für ein Sanierungskonzept gar nicht erst ausschöpfen, sondern schon zuvor um eine Insolvenz unter staatlicher Aufsicht ansuchen, deutete er an. Die Belegschaft schwor er auf schwere Zeiten ein: „Wir müssen noch stärkere und schnellere Konsequenzen ziehen.“ GM werde nicht umhinkommen, mehr Fabriken zu schließen und mehr Mitarbeiter zu entlassen als ohnehin geplant.

Als Nummer zwei hinter dem jetzt zum Rücktritt gezwungenen Rick Wagoner hatte Henderson das operative Geschäft geleitet und zuletzt auch federführend das Sanierungskonzept ausgearbeitet, das Obama und dessen Auto-Arbeitsgruppe als zu wenig weitreichend ablehnte. Wagoner galt als dezidierter Gegner eines Konkurses. Er befürchtet einen immensen Imageschaden für den einst größten Autokonzern der Welt. Bisher hat GM mehr als 30 Milliarden Dollar an Staatshilfe erhalten, um wenigstens den fortlaufenden Betrieb sicherzustellen.

Obama argumentierte, ein Konkurs könnte das Signal für einen Neuanfang und eine Neustrukturierung setzen. Ein Konkursverfahren würde zu einer Aufspaltung des Konzerns in ein „good GM“ und ein „bad GM“ führen – ähnlich wie beim Modell einer „good bank“ und einer „bad bank“, bei der die faulen Kredite und „giftigen“ Anleihen ausgelagert werden. Es käme einer Neugründung des Traditionskonzerns General Motors gleich. Rentable Marken wie Chevrolet oder Cadillac würden ausgegliedert, unrentable wie Hummer und Saturn stünden im Rahmen eines kontrollierten Gläubigerschutzes zum Verkauf oder würden überhaupt eingestellt. Die staatliche Aufsicht soll Chaos verhindern.

Kritik am Staatsinterventionismus

Für die Sozialleistungen bei der Abwicklung des Konkurses käme der Staat auf. GM hat die Staatskosten in einem Horrorszenario mit 100 Milliarden Dollar beziffert. Finanzexperten gehen von weit geringeren Kosten aus. Als Beispiel für die Sanierung eines maroden Unternehmens durch eine Insolvenz nach US-Recht („Chapter 11“) dienen mehrere Fluglinien, die nach den Terroranschlägen 2001 in den Bankrott gestürzt und heute wieder profitabel sind. Die Abwicklung des Insolvenzverfahrens von Lehman Brothers habe überhaupt nur drei Tage gedauert.

Die für US-Verhältnisse massive Intervention der Regierung hat indessen schon eine Vielzahl von Kritikern auf den Plan gerufen. Der Staatsinterventionismus ist in den USA als „sozialistisch“ verrufen.

AUF EINEN BLICK

GM (General Motors) hat in den vergangenen Monaten 30 Mrd. Dollar an Staatshilfe erhalten, die den Niedergang des einst größten Autokonzerns der Welt bisher nicht gestoppt haben. Die US-Regierung hat GM – und Chrysler – eine letzte Frist gesetzt, rechnet aber damit, dass GM trotzdem in den Konkurs rutschen wird. Eine „kontrollierte“ Insolvenz soll die profitablen Marken des Unternehmens retten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2009)

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