Song Contest: Lolita-Pop, Mundart und „Mozart-Perücken“

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Mit einer glatten Show fragt der ORF ab Freitag „Wer singt für Österreich?“. Beim Song Contest – wo sonst?

Gemütlich sieht der Backstageraum durchaus aus, in dem es sich Rapper Nazar, Sängerin Anna F. und zwei Boss-Hoss-Musiker bequem gemacht haben. Daran können auch die obligaten belegten Brötchen nichts ändern. Vor einem Bildschirm sollen die vier entscheiden, welche sechs der 16 Bands weiterkommen dürfen. Nur eine darf am Ende Österreich beim Song Contest in Wien vertreten.

ORF-Allzweckwaffe Mirjam Weichselbraun erinnert zu Beginn: „Wir sind mitten im Vorentscheid“ – und gibt damit auch den inoffiziellen Startschuss zum ORF-Song-Contest-Marathon. Vielleicht liegt es daran, dass die erste von vier Shows nicht, wie die Stimme aus dem Off behauptet, live ausgestrahlt wird, sondern schon im Dezember aufgezeichnet wurde (und heute, Freitag, um 20.15 Uhr in ORF eins zu sehen ist). Oder daran, dass Österreich als Gastgeberland heuer automatisch beim Song Contest dabei ist. Die Talentsuchshow wirkt jedenfalls weniger laut, weniger aufgekratzt als früher. Stattdessen wird eine solide, aber langweilige Show abgespult. Aber eine, bei der sich Teile von Österreichs Indie-Szene präsentieren dürfen.



Das musikalische Spektrum ist tatsächlich breit, reicht vom Reggae-Rap der Band Royal Kombo über zuckersüßen Vierzigerjahre-String-Swing des Trios The Su'sis bis zum an Deichkind erinnernden Gaga-Spaß-Pop der Mizgebonez und der Mundart-Antiarbeitshymne „Seit a poa Tog“ von Folkshilfe. Es sind einige Musiker darunter, die bereits Erfahrung – wie die souveräne Countrypop-Band The Makemakes – oder zumindest einen Hit – wie Singer-Songwriter Nemo mit seinem „Vielleicht der Sommer“ – vorweisen können. Ärgerlich ist, wie unterschiedlich die Bands in den Videoporträts vorgestellt werden. Während einige das Glück haben, mit ihrer eigenen Musik präsentiert zu werden, müssen andere mit dem Klangteppich vermeintlich passender Musiker leben: bei den Mizgebonez hört man etwa Deichkind, bei der 18-jährigen Lolita-Pop-Sängerin Zoe, der Tochter von Papermoon-Mitglied Christof Straub, die französische Sängerin Zaz.

Sechs sind weiter – im Schnellverfahren

Die Bands müssen sich nicht nur dem Urteil der Jury, sondern auch einiger Experten stellen, die unweit der Bühne Stellung beziehen. Song-Contest-Kommentator Andi Knoll sagt dann doch mehr als bei seiner ersten Wortmeldung „Ich schau nur drauf, ob's geil ist“. Sängerin Diana Lueger bringt auf den Punkt, worum es gehen soll: nicht die Songs der Kandidaten werden beurteilt, sondern das Gesamtpaket. Es werde nicht nach der nächsten Conchita Wurst gesucht, sondern nach Künstlern, die die Musiklandschaft Österreich repräsentieren.

Enttäuschend sind die vier Jurymitglieder Backstage. Rapper Nazar schreibt zwar fleißig mit und wirkt ehrlich interessiert, Anna F. sagt dafür kaum etwas Sinnvolles. Schlagfertiger sind die Herren von Boss Hoss, die bereits TV-Jury-Erfahrung in Deutschland sammeln konnten, sagen aber auch nicht nur Schlaues. Das Elektro-Pop-Trio Johann Sebastian Bass gefällt ihnen, weil sie mit ihren „Mozart-Perücken“ perfekt Österreich repräsentieren würden. Oder waren es doch Bach-Perücken? Nach 105 Showminuten sind sechs der 16 Künstler weiter (wer, darf vorab nicht verraten werden), aber wir erfahren mit keiner Silbe, warum gerade die. Schade eigentlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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