Keine neuen Steuern? SPÖ: "Ja, das ist so"

Norbert Darabos und Gernot Blümel
Norbert Darabos und Gernot BlümelDie Presse
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Die beiden Leiter der Parteizentralen von SPÖ und ÖVP, Norbert Darabos und Gernot Blümel, über Vermögensteuern, Freihandelsabkommen und Rauchverbote.

Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Verhandler der Steuerreform, Michael Häupl, will auf Vermögenssubstanzsteuern verzichten. Kanzler Werner Faymann hat den SPÖ-Schwenk bestätigt. Gibt die SPÖ wirklich die Forderung nach einer Millionärsabgabe auf?

Norbert Darabos: Beide Parteien sind trotz ideologischer Unterschiede daran interessiert, etwas Herzeigbares zu präsentieren. Wir verabschieden uns aber nicht von unseren Positionen. Die Vermögenszuwachssteuer ist aus meiner Sicht auch eine Millionärssteuer.

Unterschreiben Sie Häupls Aussagen?

Darabos: Man kann den Verhandlungen nicht vorgreifen. Grundsätzlich bin ich gegen Verunsicherungen, auch wenn es darum geht, Grund zu besteuern. Nach den Aussagen des Kanzlers über die Vermögenszuwachssteuern ist nun die ÖVP gefordert, Vorschläge zu unterbreiten.
Gernot Blümel: Wenn der Kanzler und Michael Häupl Substanzsteuern ausschließen, und jetzt Kollege Darabos auch noch Steuern auf Grund und Boden ausschließt, dann sind wir dem Ergebnis einen wesentlichen Schritt nähergekommen.

Was eine Abkehr von Substanzsteuern konkret bedeutet, hat die SPÖ allerdings noch nicht klar definiert. Sind Erbschaftssteuern damit auch vom Tisch?

Darabos: Noch ist nichts vom Tisch. Über Einzelheiten will ich nicht reden. Am 17. März gibt es das Ergebnis.

Kann es sich die SPÖ überhaupt leisten, bei so vielen Forderungen zurückzustecken?

Darabos: Wenn eine Vermögenszuwachssteuer kommt, ist es ja kein Zurückstecken. Besserverdiener würden ihren Beitrag zahlen.

Blümel: Das tun sie ohnehin...

Darabos: Eine Vermögenszuwachssteuer ist auch ein Mittel, jene zur Kasse zu bitten, die ohnehin mehr haben.

Blümel: Wir wissen, dass allein die Diskussion über Vermögensteuern schon Kapital davon abhält, nach Österreich zu kommen, und auch dazu führt, dass Kapital abwandert und damit auch Arbeitsplätze verloren gehen. Wenn die Unternehmen gehen, aber die Arbeitslosen bleiben, dann schadet das uns allen. Umso mehr freut es mich, dass sich die Diskussion weg von Vermögensteuern entwickelt.
Darabos: Ich bin nicht ganz der Meinung des Kollegen. Die Drohung mit dem Abfluss von Kapital halte ich für unpatriotisch. Österreich hat gute Wettbewerbsbedingungen, gute Arbeitsplätze. Ich glaube nicht, dass sich Unternehmen davon abhalten lassen, nur weil sie mehr Steuern zahlen müssen.

Blümel: Da bin ich eher der Meinung von Michael Häupl. Bei Unternehmen ist die Kapitaldecke ohnehin eher zu dünn als zu dick. Wenn Unternehmer mehr Steuern auf Substanz zahlen müssen, verschreckt man sie. Das hat jetzt sogar die SPÖ erkannt.

So ganz scheint Herr Darabos aber nicht dieser Meinung zu sein.

Darabos: Dass wir auch Unternehmen nicht über Gebühr belasten dürfen – da bin ich durchaus bei Ihnen. Ich glaube nur, dass Unternehmer wegen mehr Steuern nicht aus Österreich abwandern.

Blümel: Doch. Wir wollen aber auch, dass Unternehmen zuwandern. Da spielt das Investitionsklima eine wichtige Rolle. Das kann ich trüben, wenn ich damit drohe, Substanzsteuern einzuführen. Aber davon geht die SPÖ jetzt ja ab. Das ist ein wichtiger Schritt.

Was die SPÖ aber tatsächlich unter Substanzsteuern versteht, ist nicht klar definiert. Sie gehen jedenfalls davon aus, dass es keine neuen Steuern gibt?

Blümel: So habe ich den Wiener Bürgermeister und Faymann verstanden.

Herr Darabos: keine neuen Steuern. Ist das wirklich so?

Darabos: Ja, das ist so. Wenn das die beiden so bekannt geben, ist es so.

Heißt dann der Kanzler in sechs Monaten noch Werner Faymann? Beim vergangenen Ministerrat hat der SPÖ-Chef noch behauptet, eine Steuerreform ohne Reichensteuer wäre eine Mogelpackung.

Darabos: Nochmals, auch eine Vermögenszuwachssteuer ist eine Millionärsabgabe. Das ist ein Kompromiss, mit dem man leben kann. Das kann man als Signal an die ÖVP sehen. Nun wird sich aber auch der Koalitionspartner bewegen müssen. Unser Angebot liegt auf dem Tisch.

Blümel: Ein Angebot, das wir dankend annehmen.

In welche Richtung muss sich die ÖVP bewegen?

Darabos: Wir müssen schauen, wie wir diese Vermögenszuwachssteuern definieren – und was darunterfällt.

Woran denken Sie da?

Darabos: Ich hätte einige Ideen, aber die werde ich Ihnen jetzt nicht verraten.

Blümel: Wir werden schon eine gute Lösung finden.

So zahm kenne ich Sie beide gar nicht. In Ihren Aussendungen teilen Sie kräftig aus. Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat Sie, Herr Darabos, auch schon als Sisyphos bezeichnet – der ständig Aussendungen schreibt.

Darabos: Es gibt unterschiedliche Auffassungen in einigen Bereichen. Aber wir wären beide gut beraten, etwas weiterzubringen. Denn der lachende Dritte sitzt woanders. Aber die Aschermittwochsrede des Wirtschaftskammer-Präsidenten (Christoph Leitl, Anm.) hat mich schon irritiert. Wenn man von „Unvermögensteuern“ spricht, dann ist das nicht besonders nachhaltig. Aber die Wirtschaftskammer-Wahl steht bevor. Ich hoffe, man kommt wieder zur Sachlichkeit zurück. Wir werden uns auch bemühen.

Das werden wir genau beobachten.

Blümel: Bis zu einem gewissen Grad gehört es zu unseren Funktionen, dass man pointiert formuliert. Wichtig ist nur, dass diese Dinge nicht überhandnehmen.

Apropos Wirtschaftskammer-Wahlen: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner forderte diese Woche erneut ein generelles Rauchverbot. Warum setzt man das Rauchverbot nicht einfach um?

Blümel: Es wird kommen – früher oder später. Die Frage ist, wie die Verhandlungen laufen. Da muss die ÖVP einen Schritt raus aus der eigenen Komfortzone machen. Das fordern wir auch vom Koalitionspartner.

Darabos: Ich bin militanter Nichtraucher. Da bin ich ganz bei Mitterlehner, dass eine radikale Lösung hermuss. Von einer Einigung hält uns also nicht mehr viel ab.

Ab wann wäre eine solche Einigung realistisch?

Blümel: Wir müssen uns anschauen, wie wir mit Investitionen umgehen, die Unternehmer bereits getätigt haben. Aber ich bin dafür, dass wir bald zu einem Beschluss kommen.

Verhandelt wird aber erst nach der Wirtschaftskammer-Wahl, oder?

Blümel: Jetzt haben wir erst einmal den Brocken Steuerreform, der ist groß genug.

Rund um die Steuerverhandlungen hat die ÖVP auch eine Anhebung des Frauenpensionsalters noch vor 2024 gefordert. Ist das eine Option?

Darabos: Wir gehen davon aus, dass wir das beibehalten, was ausgemacht wurde – also die schrittweise Anpassung ab dem Jahr 2024.

Blümel: Wir wissen alle, dass wir heute dreimal so lange in Pension sind wie in den 1970er-Jahren und früher in Pension gehen. Das ist einer der größten Brocken im Budget. Da muss man etwas tun.
Darabos: Viele Frauen, die im Alter zwischen 50 und 60 Jahren gekündigt werden, finden keine neue Arbeit. Oft auch krankheitsbedingt. Sie kommen dann nicht mehr in den Arbeitsprozess hinein und werden im System als Arbeitslose mitgeschleppt.

Blümel: Das ist ein systematisches Problem – wenn etwa bei der Stadt Wien Frühpensionen an der Tagesordnung sind und die Pensionsreform noch immer nicht umgesetzt ist. Da kann man nicht wegschauen. Da muss die SPÖ raus aus der eigenen Komfortzone.

Darabos: Das ist keine Komfortzone.

Blümel: Die Frühpensionen der Stadt Wien sind schon eine sehr deutliche Komfortzone.

Darabos: Ich weiß nicht, wie die Pensionszahlen in der Stadt Wien aussehen. Es ist klar: Im Pensionsbereich muss man etwas machen. Was die Hacklerpension betrifft, haben wir gemeinsam einen kleinen Fehler gemacht. Sie wird auch von Menschen in Anspruch genommen, die nicht in diesen Genuss kommen sollten. Da gilt es sicherlich auch nachzujustieren. Aber das würde den Rahmen hier sprengen.

Beim Frauenpensionsalter geben Sie also nicht nach?

Darabos: Nein.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen SPÖ und ÖVP ist derzeit das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA: TTIP. Vor allem der Investorenschutz mit Klagerechten vor einem nicht staatlichen Schiedsgericht ist umstritten.

Blümel: Was mir in diesem Punkt sauer aufstößt, ist die Tatsache, dass die SPÖ prinzipiell gegen dieses Freihandelsabkommen auftritt und eine Kampagne dagegen führt. Obwohl der Kanzler das Verhandlungsmandat mitbeschlossen und bei allen weiteren Beschlüssen in Brüssel dafür gestimmt hat – als Regierungschef einer kleinen, offenen Volkswirtschaft wie Österreich, die sechs von zehn Millionen Euro im Export verdient und Wachstum braucht. Das verstehe ich einfach nicht.

Darabos: Es gibt keine grundsätzliche Ablehnung. Dafür aber eine gemeinsame Haltung im Parlament, die beschlossen wurde. Ich halte es für essenziell, dass man sich dagegen wehrt, dass Konzerne Staaten in Geiselhaft nehmen können. Conditio sine qua non ist, dass Konzerne nicht bestimmen dürfen, was Staaten zu tun haben

Blümel: Das ist einfach nicht richtig.

Darabos: Sicher, wir haben das gemeinsam im Parlament beschlossen.

Blümel: Das Verhandlungsmandat umfasst auch ein Investitionsschutzabkommen. Es gibt insgesamt rund 6000 solcher Abkommen – Österreich hat bereits einige davon.

Darabos: Es gibt gewisse Parameter, die man einhalten muss. Es kann nicht sein, dass Konzerne Staaten klagen können.

Also kommt Ihrer Meinung nach TTIP nur ohne Sonderrechtsklausel?

Darabos: Ja.

Blümel: Es geht jetzt darum, die Einwendungen zu sichten, und dann transparente Verhandlungen über die Ausgestaltung zu führen. Erst dann kann man bewerten.

Wie gut ist das Klima innerhalb der Koalition tatsächlich? Es scheint, dass alte ideologische Gräben noch immer bestehen.

Darabos: Ich habe das Gefühl, dass es zum Beispiel besser ist, als es nach 2006 war – als Schwarz-Blau abgewählt wurde und Rot-Schwarz verhandelt hat. Da war es eiszeitlich.

Na ja, das Klima damit zu vergleichen...

Darabos: Aber dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, liegt in der Natur der Sache. Es sind zwei verschiedene Parteien. Ich habe jedoch schon das Gefühl, dass es durchaus konsensual vorgehen kann. Das persönliche Klima zwischen den beiden Parteichefs ist gut, auch wenn es vielleicht mit Josef Pröll ein bisschen besser war.

Wenn man die beiden Parteichefs beim Pressefoyer beobachtet, sieht es aber anders aus: Da spricht der eine, und der andere verzieht daraufhin das Gesicht.

Darabos: Ich würde das nicht überbewerten. Das eine oder andere schärfere Wort in der Öffentlichkeit gehört einfach dazu.

Lebt man den neuen Stil?

Blümel: Die Formulierung an sich ist schon ziemlich abgedroschen.

Die Parteien bringen sie schließlich immer ins Spiel.

Blümel: Mit dem neuen Parteichef wird der neue Stil gelebt.
Darabos: Man muss Kanten zeigen, aber ich sehe den politischen Stil nicht als völlig veraltet an.

Steckbrief

Norbert Darabos
ist seit März 2013 Bundesgeschäftsführer der SPÖ – wie schon von 2003 bis 2007. Dazwischen war er Minister für Landesverteidigung und Sport. Der 50-jährige Burgenländer begann seine politische Karriere als Gemeinderat von Nikitsch.

Gernot Blümel
hat ebenfalls im Jahr 2013 die Parteizentrale der ÖVP als Generalsekretär übernommen. Der 33-jährige Niederösterreicher wurde 2006 Internationaler Sekretär der JVP. Später arbeitete er als parlamentarischer Mitarbeiter des damaligen Abgeordneten Michael Spindelegger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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