Geldströme in die dritte Welt versiegen

(c) AP (Themba Hadebe)
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Fallende Rohstoffpreise und sinkende Entwicklungshilfe stoßen die ärmsten Staaten in eine neue Kapitalnot.

Weiße Männer in feinen Anzügen. Sie sind nach Ansicht des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva die Ursache für die derzeitige Wirtschaftskrise. Sie sind es aber auch, die am Donnerstag in London zusammenkamen, um diese Krise zu lösen. Die Länder, die am härtesten vom Abschwung betroffen sein werden, suchte man in den Sitzungssälen hingegen vergeblich. Vom ärmsten Kontinent Afrika saß lediglich der Vertreter Südafrikas mit am Verhandlungstisch.

Eine Billion Dollar mahnten die Vereinten Nationen schon im Vorfeld ein, um die Entwicklungsländer vor den Auswirkungen des Abschwungs zu bewahren. „Es liegt nur ein schmaler Grat zwischen dem Zusammenbruch von Banken und dem von Staaten“, warnte der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Gerade in den ärmsten Ländern gebe es „erschreckend schnelle Zerfallserscheinungen“.

Ungeahnte Kapital-Dürre

Dabei sah es lange Zeit so aus, als könnten die Entwicklungsländer ihre hohen Wachstumsraten beibehalten. Mit dem Einbruch des Welthandels ist davon keine Rede mehr. Auch die afrikanischen Aktienmärkte sind abgestürzt. Statt um sechs Prozent wird die Wirtschaft auf dem Kontinent heuer bestenfalls um drei Prozent wachsen. Mit jedem Prozentpunkt weniger steigt die Zahl derer, die unter der Armutsgrenze leben um etwa 20 Millionen, schätzt die Weltbank. Am Ende könnten 1,4Milliarden Menschen davon betroffen sein. Über eine Milliarde von ihnen werden laut FAO Hunger leiden.

Denn den ärmsten Ländern steht eine ungeahnte Kapital-Dürre ins Haus, warnt die Weltbank. In den kommenden beiden Jahren werden den Entwicklungsländern zwischen 270 und 700 Milliarden Dollar abgehen, so die Schätzungen. Nach Berechnungen des Weltwährungsfonds werden sich die Kapitalströme in die Region nahezu halbieren. Eigenes Geld für nötige Konjunkturpakete fehlt den Regierungen. Einige von ihnen sind bis zu 50 Prozent von ausländischer Entwicklungshilfe angewiesen. Sie fürchten, dass die reichen Länder ihre Zahlungen nun zurückfahren werden.

2008 gingen laut OECD (bereinigt um Schuldennachlässe) noch 120 Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe in Richtung Süden. Zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Da die Nationaleinkommen der Industrienationen aber heuer sinken werden, dürften auch die anteiligen Hilfsgelder um 4,5 Milliarden Dollar schrumpfen, errechnet die UNO. Das Kraut fett machen diese Gelder aber nicht.

Im Vergleich dazu flossen 2007 900 Milliarden Dollar an privatem Kapital in die Entwicklungs- und Schwellenländer. Nicht nur diese Einnahmequelle droht zu versiegen: Länder mit vielen Auswanderern bekommen auch von ihnen deutlich weniger Geld überwiesen. Staaten, die sich auf ihre Rohstoffe verlassen hatten, müssen diese wegen des weltweiten Rückgangs der Nachfrage nun viel günstiger abgeben. Im vergangenen Jahr purzelten die Preise für Bodenschätze wie Kupfer, Eisenerz und Platin um bis zu 70 Prozent. Erstmals seit zehn Jahren sind auch Diamanten wieder billiger zu haben. Die Folge: Minen werden geschlossen und neue Investitionen abgeblasen. Im Gegenzug sind die Preise für Mais, Weizen und Reis, die Grundnahrungsmittel in den ärmsten Ländern, noch um 70Prozent höher als vor der Nahrungsmittelkrise im Vorjahr.

IWF-Gelder aufgestockt

Um den Kapitalstrom in Richtung Entwicklungsländer wieder anzukurbeln, haben die G20 nun die Mittel des Internationalen Währungsfonds IWF auf 750 Milliarden Dollar verdreifacht. In Bankenrettungs- und Konjunkturpakete haben alleine die USA bisher 5000Mrd. Dollar gesteckt. Mit dem Geld, das weltweit dafür aufgewandt wurde, könnte man die schlimmste Armut laut der Hilfsorganisation Oxfam für die nächsten 50 Jahre aus der Welt bannen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2009)

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