Steuerreform: Regierung scheut Konflikt mit Tierfreunden

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Die Abschaffung von „Skurrilitäten“ ist schwierig: Der Koalition ist Tierfutter so viel wert wie höheres Pflegegeld.

Wien. Die Vereinfachung komplizierter Steuergesetze ist aus Politikermund schnell dahingesagt. Wer kennt schon die Mühen, was es heißt, solche Versprechen bei einer Steuerreform einzulösen. Dass Ausnahmen und Begünstigungen im Steuerrecht gestrichen werden sollen, darüber war sich die SPÖ/ÖVP-Regierung von Anfang an grundsätzlich einig. Wie schwierig sich das jedoch gestaltet, zeigt sich bei den Ausnahmen. Nämlich dort, wo die Mehrwertsteuer statt der üblichen 20 Prozent nur zehn Prozent beträgt. Der Regierung waren Hund und Katz in den vergangenen Jahren lieb und teuer: Mit 60 Millionen Euro pro Jahr hat die Expertenkommission zur Steuerreform die Mehreinnahmen beziffert, wenn der begünstigte Steuersatz allein auf Tiernahrung fällt.


Als „Skurrilitäten“ bezeichnet SPÖ-Klubchef Andreas Schieder solche Steuerausnahmen. Selbst Mitglieder der Expertenkommission zuckten auf die Frage der „Presse“ nach der Begründung für die Begünstigung von Tierfutter ratlos mit den Schultern. Darunter fallen etwa „Rückstände und Abfälle der Lebensmittelindustrie“, aber unter anderem auch Heu und Klee. Ob Tiernahrung steuerlich begünstigt bleibt, ist, wie die Vermögenszuwachssteuer eine der großen offenen Fragen dieser Republik.



Insgesamt umfasst das „Verzeichnis der dem Steuersatz von zehn Prozent unterliegenden Gegenstände“ in der Anlage zum Anfang 2013 zuletzt geänderten Umsatzsteuergesetz 1994 drei eng bedruckte Seiten mit 46 Einzelpunkten. Würde die Regierung sich zu einem kräftigen Schnitt bei den „Skurrilitäten“ entschließen, ließen sich nach Expertenansicht 400 bis 700 Millionen Euro pro Jahr zur Entlastung bei den hohen Steuern auf Arbeit umschichten.

Kultur: Protest, nun bleibt Tarif

Den begünstigten Mehrwertsteuersatz bei Lebensmitteln sowie Medikamenten hat die Regierung sofort für tabu erklärt. Nach heftigen Protesten etwa von Kinobesitzern und Kulturschaffenden hat dies SPÖ-Fraktionschef Schieder, wie bereits am Dienstag berichtet, nun auch für Theater- und Konzertbesuche angekündigt. Seine Begründung: „Österreich ist eine Kulturnation.“

Bei Tiernahrung ist die Koalition vor dem Streichen des niedrigeren Tarifs bisher zurückgeschreckt, weil sie wegen 60 Millionen pro Jahr nicht den Protest von Tierfreunden riskieren wollte. Bei hilfsbedürftigen Menschen hatte die Regierung beim Sparen weit weniger Skrupel: Mehr als 450.000 Menschen müssen bis 2016 warten, bis ihr Pflegegeld erstmals seit 2009 erhöht wird. Die nötigen 50 bis 60 Millionen Euro zahlt der Kreis Betroffener sich selbst – durch die seit heuer geltende höhere Hürde beim Bezug von Pflegegeld in den meist genützten Stufen I und II.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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