Der Chef der staatlichen türkischen Religionsbehörde übt scharfe Kritik an dem Gesetz. Es gefährde die Einheit und Existenz der Muslime in Österreich.
Das im Nationalrat am Mittwoch beschlossene neue Islamgesetz stößt nicht nur bei Muslimen in Österreich auf Kritik. Auch Mehmet Görmez, Chef der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet - sie ist dem Premierminister unterstellt - lehnt es ab. Wie das Ö1-"Mittagsjournal" berichtete, kritisierte er es als diskriminierend und als Rückschritt.
Görmez sprach von einem "gewaltigen Fehler", zitierte ihn das ORF-Radio. Er befürchte, "dass das geplante Gesetz Österreich um 100 Jahre zurückwerfen wird, was die Freiheit der Religionen in dem Land betrifft". Es gefährde die Einheit der Muslime und ihre Existenz. Im Zentrum der Kritik steht das Verbot der Auslandsfinanzierung, denn rund 60 der etwa 300 Imame in Österreich sind über den Verein ATIB aus der Türkei entsandt.
Nicht nur Österreich wird von Görmez kritisiert. Der Islam sei eine universale Religion. Wenn Länder glaubten, sie könnten sich ihre eigene Version davon zusammenzimmern, hätten sie sich getäuscht. Auch ATIB meldete sich am Mittwoch zu Wort. Der Versuch, einen "Islam österreichischer Prägung" zu schaffen, verkenne das eigentliche Bedürfnis nach Förderung religiöser Vielfalt und gegenseitigem Respekt und mache das Islamgesetz zu einem Sicherheitsgesetz, hieß es in einer Presseerklärung.
SPÖ und ÖVP kritisieren Angstmache
Im Nationalrat hatte das Islamgesetz am Mittwoch erwartungsgemäß eine hitzige Debatte ausgelöst. Für die FPÖ ist die Novelle ein "Pfusch". Ihr sind die Regelungen zur Auslandsfinanzierung nicht rigoros genug. Überhaupt findet FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache, das Gesetz gehe an den Zielen vorbei und sei wirkungslos. "Bitte zurück zum Start", forderte er denn auch.
SPÖ und ÖVP warfen den Blauen dagegen vor, die Gesellschaft spalten und Angst schüren zu wollen. Für die Grünen begrüßte Alev Korun ausdrücklich, dass es endlich eine transparente Imam-Ausbildung an einer österreichischen Uni geben wird sowie dass die Frage der Friedhöfe und Seelsorge geregelt wird. Kritik übte sie aber am "Generalverdacht" gegen Muslime, weil im Gesetz mehrfach geschrieben werde, dass sich Muslime an die Gesetz zu halten hätten, was aber ohnehin alle in Österreich tun müssten.
Die Intention des Gesetzes sei zwar positiv, es gehe aber leider an der Zielsetzung vorbei, hieß es vom Team Stronach. Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherak bemängelte, dass Religionen bei der Auslandsfinanzierung nun unterschiedlich behandelt würden.
Islamgesetz
Das derzeitige Gesetz für die geschätzt rund 560.000 Muslime in Österreich stammt aus dem Jahr 1912. Die Novelle enthält unter anderem Ansprüche auf Seelsorge beim Bundesheer, in Strafanstalten und Krankenhäusern, sowie ein eigenes Theologiestudium, gesetzliche Feiertage und Lebensmittelbestimmungen. Nicht bei allen muslimischen Organisationen kommt gut an, dass Vereine nicht mehr aus dem Ausland finanziert werden dürfen oder dass religiöse Funktionsträger aus dem Ausland ihre Funktion nur noch bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter ausüben können.
(APA)