Der Kampf der Christen gegen den IS

Fighters of the YPG stand near a pick-up truck mounted with an anti-aircraft weapon in front of a church in the Assyrian village of Tel Jumaa
Fighters of the YPG stand near a pick-up truck mounted with an anti-aircraft weapon in front of a church in the Assyrian village of Tel Jumaa(c) REUTERS (STRINGER)
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Im Nordosten des Landes haben die IS-Extremisten hunderte Christen verschleppt. Doch die assyrischen Christen der Region leisten in eigenen Kampfgruppen Widerstand.

Das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde erst nach und nach klar. Zunächst hieß es, etwa 90 Christen aus Nordsyrien seien von den Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) verschleppt worden. Am Donnerstag sprach dann Ablahd Kourieh, politischer Vertreter der assyrischen Christen, sogar von 350 bis 400 entführten Personen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters verlangte Kourieh Luftangriffe der von den USA geführten Anti-IS-Koalition, um den Vormarsch der Jihadisten zu stoppen. Am Donnerstagnachmittag stiegen dann die ersten Kampfflugzeuge auf, um in der Region Stellungen des IS zu bombardieren.

Am Los der Entführten können diese Angriffe vorerst nichts ändern. Ein Sprecher der assyrisch-christlichen Kampfeinheit Syriac Military Council (MSF) berichtete BBC, ein Teil der gefangenen Christen sei in das Abdul-Aziz-Berggebiet gebracht worden. Befürchtungen kursierten, der IS wolle die Verschleppten dort ermorden.
Die Offensive des sogenannten Islamischen Staats hat vor einigen Tagen begonnen. IS-Einheiten sind in das Siedlungsgebiet der assyrischen Christen entlang des Flusses Khabour im Nordosten Syriens vorgerückt. Die Extremisten griffen mindestens zehn Dörfer an, darunter die Orte Tel Shamiram, Tel Jazira und Tel Gouran. Sie töteten oder verschleppten Dorfbewohner. Tausende Christen flohen in die nahe gelegene Stadt Hasakah oder nach Qamishli, die Hochburg der syrischen Kurden. In Tel Tamar leisten assyrisch-christliche Kämpfer und kurdische Volksverteidigungseinheiten (YPG) weiter Widerstand. Mehrere assyrisch-christliche Kampfgruppen haben sich zum Syriac Military Council (MSF) zusammengeschlossen. Es operiert Seite an Seite mit den YPG, die die syrischen Kurdengebiete kontrollieren.

Die Assyrer gehören einer alten christlichen Gemeinschaft an und verwenden noch heute verschiedene Formen der aramäischen Sprache. Sie sehen sich als Nachfahren der Christen, die bei der Eroberung des Gebiets durch die muslimischen Araber die Mehrheitsbevölkerung gestellt haben.

Terror gegen „Ungläubige“

In der grausamen Ideologie des IS ist für sogenannte „Ungläubige“ gar kein oder nur sehr wenig Platz. Minderheiten wie die Jesiden will der IS ausrotten. Auch die Schiiten, die Anhänger der zweitgrößten Richtung im Islam, sollen gemäß IS-Vorstellungen vernichtet werden. Grundsätzlich verlangt die Terrormiliz von allen Muslimen, sich zur bizarren Islamauslegung des IS zu „bekehren“. Muslimen, die das ablehnen, droht der Tod.
Juden und Christen dürfen gemäß IS-Ideologie zwar grundsätzlich ihren Glauben behalten, ihn aber nicht in der Öffentlichkeit und auch zu Hause nur unter strengen Auflagen praktizieren. Und ihnen wird eine Sondersteuer abverlangt. De facto sind Christen in den vom IS besetzten Gebieten massiver Unterdrückung ausgesetzt. Kirchen werden zerstört, Menschen ausgeplündert, getötet oder gezwungen zu konvertieren.

Der IS-Ableger in Libyen wählte ganz bewusst 21 koptische Christen aus Ägypten als Opfer, um mit dem Video vom Mord an ihnen eine grausige Botschaft an Ägypten und an Europa zu senden. In der nordirakischen Stadt Mosul hat die alte christliche Gemeinschaft aufgehört zu existieren. Mosuls letzte Christen wurden im Sommer vom IS vertrieben. Ende August starteten die Extremisten auch Angriffe auf die nordirakische Stadt Qaraqosh, die vor allem von Christen bewohnt wurde. Der Großteil der Bevölkerung musste fliehen.

Doch die Zeiten, in denen die IS-Kämpfer von Sieg zu Sieg eilten, sind vorbei. Kurdischen Einheiten ist nun gelungen, die wichtigste Versorgungsroute der Extremisten zu unterbrechen, die von der IS-Hauptstadt, Raqqa in Syrien, nach Mosul im Nordirak führt. Der jüngste IS-Vernichtungsfeldzug gen christliche Dörfer in Syrien ist offenbar Teil einer Entlastungsoffensive – der Versuch einer zurückgedrängten Terrormiliz, wieder Oberhand zu gewinnen.

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