Es gibt zahlreiche gute Gründe dafür, warum Österreich juristisch gegen das britische Kernkraftwerk Hinkley Point vorgeht.
Es lohnt sich, im Zusammenhang mit dem Gastkommentar von Professor Gero Vogl, „Hinkley Point: Wie man Freunde verärgert“ („Presse“, 20.2.), einen Blick auf die Fakten zu werfen.
Es ist derzeit unter Marktbedingungen weltweit nicht möglich, neue Atomkraftwerke zu errichten und zu betreiben. Neue Projekte können also nur umgesetzt werden, wenn entweder die öffentliche Hand oder Stromkunden erhebliche Mittel zur Verfügung stellen und zudem oft noch (ungefragt) die Haftung übernehmen müssen. Im Wesentlichen wird damit die Zukunft belehnt, ohne die genaue Rechnung zu kennen.
Neue Kernkraftwerke sind unbezahlbar geworden. Und die eingesetzte Technologie birgt unkalkulierbare Risken, wie gerade die schweren Unfälle in Tschernobyl und Fukushima gezeigt haben.
Erst jüngst ließen Untersuchungen zu zwei belgischen Kernkraftwerken aufhorchen: Die Reaktordruckgefäße dort sind mit tausenden Mikrorissen durchsetzt – ein Wiederanfahren der Reaktoren ist somit eher unwahrscheinlich. Wie ernst es die einschlägige Industrie mit der Sicherheit nimmt, konnte auch in den Verhandlungen zur Verbesserung der internationalen Konvention für nukleare Sicherheit beobachtet werden. Die USA und Russland haben eine neue Bestimmung verhindert, wonach bestehende Reaktoren laufend auf den aktuell notwendigen Sicherheitsstandard nachgerüstet werden müssen.
Unterversicherte AKW
Nicht unerwähnt gelassen werden sollte auch der Umstand, dass die bestehenden Haftungsbestimmungen für die Betreiber von Kernanlagen den potenziell Geschädigten wenig nutzen. Kernkraftwerke sind mit Absicht unterversichert – Schäden zahlt die Allgemeinheit. Auch das ist eine Subvention, die abgeschafft gehört.
Was hat Hinkley Point nun mit Österreich zu tun? Sehr viel, da wir innerhalb der EU erhebliche Mittel aufwenden, um nicht zukunftsfähige Energiekonzepte zu unterstützen. Der Umstieg auf eine erneuerbare Stromversorgung ist aus Klimaschutzgründen notwendig, aber auch wirtschaftlich sinnvoll.
Im Gegensatz zur Kernenergie haben die Subventionsschienen für umweltfreundliche erneuerbare Energieträger zu einer nachhaltigen Kostenreduktion dieser Technologien beigetragen. Dementsprechend können auch die Subventionshöhen reduziert werden. Vergleichsweise ist dies, trotz jahrzehntelanger Subventionierung der Kernkraft, bei eben dieser nicht beobachtbar. Das, wogegen sich eine Klage bezüglich Hinkley Point richtet, betrifft eine Subventionsregelung über Jahrzehnte – ein Mehrfaches an Zeit und Höhe im Vergleich zu erneuerbaren Energieträgern.
Gerade die Stärkung von Unternehmen im Bereich erneuerbare Energie (und Energieeffizienz) ist ein Weg, um grünes Wachstum anzukurbeln. Mittel aber, die für die Kernkraft aufgewandt werden, stehen für erneuerbare Energieträger und Effizienzmaßnahmen nicht zur Verfügung.
Auch vor diesem Hintergrund ist die Beschwerde von österreichischer Seite gegen die Gewährung einer sehr hohen Beihilfe richtig. Eine Prüfung, ob die Entscheidung mit geltendem Recht vereinbar ist, muss zudem auch unter Freunden erlaubt sein. Alles andere entspräche einem sehr seltsamen Rechtsverständnis.
Dr. Jürgen Schneider ist Klimaexperte und Prokurist im Umweltbundesamt.
E-Mails an: debatte@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)