Nato: Rasmussen neuer General-Sekretär

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Der dänische Minister-Präsident Anders Fogh Rasmussen wird mit 1. August den Niederländer Jaap de Hoop als General-Sekretär der Nato ablösen. Die Afghanistan-Truppen werden verstärkt.

Überraschende Wendung beim NATO-Jubiläumsgipfel: Nach zweitägigem Streit einigten sich die Staats- und Regierungschefs am Samstag in Straßburg auf den dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen als neuen Generalsekretär. Die Türkei lenkte schließlich ein. 60 Jahre nach Gründung des Bündnisses brachte die NATO zudem eine neue Strategie auf den Weg und sagte mehr Truppen für Afghanistan zu.

Die Berufung Rasmussens zum 12. Generalsekretär seit der NATO-Gründung 1949 ist ein Erfolg auch für Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin hatte als Gastgeberin des Gipfels in Baden-Baden und Straßburg auf eine Entscheidung zu Gunsten des Dänen gedrungen. "Zum Schluss hat doch die Kraft gesiegt, Einigkeit zu zeigen", sagte die sichtlich erleichterte Merkel.

Auch der französische Präsident und Ko-Gastgeber Nicolas Sarkozy sowie der amtierende Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gratulierten dem Dänen. Der Niederländer De Hoop Scheffer scheidet zum 31. Juli aus dem Amt. "Die Zeit internationaler Gipfel, auf denen geredet und nichts entschieden wird, ist zu Ende", sagte Sarkozy auch zu dem Weltfinanztreffen in London.

Anders Fogh Rasmussen tritt Anfang nächster Woche als dänischer Ministerpräsident ab. Das kündigte ein Regierungssprecher am Samstag in Kopenhagen an. Die Nachfolge soll Rasmussens rechtsliberaler Parteikollege und Namensvetter Lars Lökke Rasmussen (44) antreten. Er ist derzeit Finanzminister in der liberal-konservativen Minderheitsregierung.

Rasmussen will mit Türkei kooperieren

Der künftige NATO-Generalsekretär will "sein Äußerstes" für eine enge partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei tun. Er wolle sich nicht im Einzelnen zum türkischen Widerstand gegen seine Ernennung äußern, sagte der Däne am Samstag zum Abschluss des NATO-Gipfels in Straßburg. Er ergänzte: "Ich habe für die von der Türkei erhobenen Fragen volles Verständnis. Ich will mich für eine gute Partnerschaft mit der islamischen Welt einsetzen. Sie ist von entscheidender Bedeutung für unsere gemeinsame Sicherheit."

Über die von der türkischen Regierung verlangte Schließung des kurdischen TV-Senders Roj TV mit Sitz in Kopenhagen sagte er: "Wir nehmen die türkischen Hinwendungen sehr ernst, denn wir sind gegen jede Form terroristischer Aktivitäten." Die dänischen Behörden würden alle Vorwürfe genau untersuchen. "Wenn Roj TV an terroristischen Aktivitäten beteiligt ist, werden wir alles tun, um die Station zu schließen", sagte Rasmussen weiter.

Türkei verzögerte Entscheidung

Der Entscheidung war ein heftiges Ringen vorausgegangen. Der türkische Präsident Gül hatte seine Bedenken gegen Rasmussen nicht aufgegeben. Sowohl US-Präsident Obama als auch die deutsche Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy hätten vergeblich versucht, Gül umzustimmen.

Der italienische Ministerpräsident Berlusconi telefonierte in der Früh mit seinem türkischen Amtskollegen Erdogan, wie es aus italienischen Regierungskreisen hieß. Berlusconi sprach - für alle Gipfelteilnehmer sichtbar - am Rheinufer in sein Handy. Erst später holte er am französischen Rheinufer die Chefs der 27 übrigen NATO-Länder ein. Nach italienischen Medienangaben nahm der italienische Regierungschef nicht an der Schweigeminute für die NATO-Gefallenen teil.

Bereit für Dialog mit Russland

Die NATO hat die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des politischen Dialogs mit Russland bekräftigt. "Russland ist für uns als Partner und Nachbar von besonderer Bedeutung", heißt es in der Schlusserklärung des NATO-Gipfels vom Samstag in Straßburg. Die NATO hatte die Arbeit des NATO-Russland-Rates nach dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien im vergangenen Sommer auf Eis gelegt.

Die NATO hoffe jetzt darauf, dass es noch vor dem Sommer dieses Jahres auch wieder zu Gesprächen auf Ministerebene komme, heißt es in der Erklärung. "Wir sind bereit, den NATO-Russland-Rat als Dialogforum für alle Fragen zu benutzen - unabhängig davon, ob wir übereinstimmen oder nicht."

Die NATO kritisierte erneut die Anerkennung der georgischen Regionen Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten durch Moskau. Die Staats- und Regierungschefs forderten Russland auf, den mit der EU vereinbarten Truppenrückzug aus Georgien zu verwirklichen. Die Verstärkung der russischen Militärpräsenz in Militärbasen in Südossetien und Abchasien sei "besonders besorgniserregend".

Frankreich kehrt zurück

Frankreich ist unterdessen am Samstag offiziell in die militärische Kommandostruktur der NATO zurückgekehrt. "Ich begrüße die Entscheidung Frankreichs, seinen Platz in der NATO wieder einzunehmen", sagte NATO-Generalsekretär De Hoop Scheffer bei der Eröffnung der Arbeitssitzung des NATO-Gipfels in Straßburg. "Dies wird den Zusammenhalt des Bündnisses weiter stärken."

Afghanistan-Truppen werden verstärkt

Zweites großes Gipfelthema war Afghanistan. Nach US-Angaben sagten die Verbündeten bis zu 5000 Soldaten zusätzlich für den Einsatz am Hindukusch zu. Darunter sind auch die bereits angekündigten 600 Bundeswehrsoldaten, die zur Absicherung der Wahlen im August zusätzlich entsandt werden. Dazu kommen 900 britische, rund 650 italienische und 450 spanische Soldaten. Auch die Ausbildung der afghanischen Polizei und Armee will die NATO verstärken.

Obama lobte die Gastgeberländer Deutschland und Frankreich bei seinem NATO-Antrittsbesuch ausdrücklich für die "Ernsthaftigkeit" ihres Engagements. Der US-Präsident hatte zuvor ein größeres Engagement von den Bündnispartnern gefordert und dabei auf die Bedrohung Europas durch Terroristen verwiesen. Die USA will 17.000 Mann zusätzlich nach Afghanistan entsenden.

Merkel nannte den bisher größten Einsatz mit mehr als 60.000 Soldaten die "Bewährungsprobe" für die NATO. Sie begrüßte den Vorschlag Obamas, in regelmäßigen Zeitabständen die Erfolge am Hindukusch zu kontrollieren. "Es nützt nichts, wenn wir uns in die Tasche lügen oder an dieser Stelle die Augen verschließen", sagte Merkel. Deutschland ist mit rund 3700 Soldaten drittgrößter Truppensteller.

Die Staats- und Regierungschefs gaben zudem ein neues strategisches Konzept in Auftrag, das die Allianz beim nächsten Gipfel 2010 in Lissabon annehmen will. Zentrale Punkte sollen neue Herausforderungen wie die Piraterie oder Cyberattacken im Internet sein.

(Ag./Red.)

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