Weil Basteln nicht reicht

Susanne Hammer, Hemma Pumhösl, Ulrike Johannsen, Birgit Wiesinger, Lehrerinnen für Schmuckdesign, Schmuckwerkstatt, Herbststrasse 104
Susanne Hammer, Hemma Pumhösl, Ulrike Johannsen, Birgit Wiesinger, Lehrerinnen für Schmuckdesign, Schmuckwerkstatt, Herbststrasse 104(c) Die Presse (Teresa Zötl)
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Eine fundierte Ausbildung für Schmuckdesign gibt es in Österreich zurzeit nicht. Das wird sich ab Herbst ändern. Dann werden Ketten, Ringe und Co. nämlich akademisch.

Schmuck ist schwierig. Störrisch irgendwie“, sagt Susanne Hammer, Schmuckdesignerin und Lehrbeauftragte am Schulzentrum Herbststraße Mode und Kunst, besser bekannt als „Die Herbststraße“. Starke Objekte, die man nahe an sich heranlässt und zugleich seinem Umfeld präsentiert, bräuchten ein großes Selbstbewusstsein. Und ein bisschen Mut zur Provokation schadet beim Tragen auch nicht, weiß Hammer aus eigener Erfahrung. So erfüllend Provokation auch sein kann – eine größere Akzeptanz würden sie und ihre Kollegen in Österreich sich dennoch wünschen. Akzeptanz, dass hinter Ketten, Armreifen oder Ringen (oder auch Körperteile überschreitenden Objekten) genauso eine Geschichte steht wie bei anderen Designgegenständen. „In Deutschland etwa ist die Aufmerksamkeit viel größer, dort gibt es eine Ausbildungstradition, eine Industrie, es gibt Schmuckdesign als Studium“, so Hammer.


Akademisch wertvoll. Wien soll nun Pforzheim werden oder Düsseldorf, wenn man so will. Denn auch wenn man das Klischee vom österreichischen Titelwahn beiseitelässt, so gilt doch: Was man studieren kann, wird anerkannt. Zurzeit gibt es hierzulande keine eigene Ausbildung für Schmuckdesign, nachdem Carl Auböck anno dazumal an der Angewandten den Schwerpunkt von der Schmuckgestaltung, einem Erbe der Wiener Werkstätte, sukzessive zur Produktgestaltung hinmanövriert hat. „Es setzt halt jeder Lehrende einen anderen Schwerpunkt“, sagt Susanne Hammer, „aber es wird Zeit, dass jemand dem Schmuck wieder einen quasiakademischen Rang einräumt.“ Das Vakuum zwischen wirtschaftlich brauchbarer, aber nicht weiter tiefschürfender Goldschmiedelehre und freiem, intellektuellem Gestalten ohne Marktbezug (überspitzt ausgedrückt) soll nun gefüllt werden. Am Abendkolleg für Schmuckdesign, das im Herbst an der Herbststraße startet, wird die handwerkliche Ausbildung ebenso Platz haben wie Kunstgeschichte, Grafikprogramme und Marketing. „Es reicht halt für guten Schmuck nicht, wenn man lustig vor sich hinbastelt, da braucht es schon ein bisschen mehr“, meint Hammer. „Man muss sich künstlerische Tendenzen anschauen, was ist bis jetzt im Schmuckbereich passiert, was gibt es heute, auch in anderen Ländern? Man sollte Materialien und Techniken kennen sowie Tragegewohnheiten und Körpertraditionen. Wir wollen Designtheorie ebenso vermitteln wie markt- und industrieorientiertes Denken.“ Denn nur so könne zeitgenössisches Schmuckdesign auch hier den Stellenwert erhalten, den es international schon hat. „Guter Schmuck hat Witz, enthält Anspielungen, Alltagsbezüge.“ Susanne Hammer verwendet etwa „Closed“-Schildchen aus dem Baumarkt als Verschlüsse für Ketten, dreht Gravuren in Eheringen nach außen.


Experimentierfreude gefragt. Acht Bewerber sind schon aufgenommen, „manche sind ganz blank“, sagt Hammer, andere haben eine Goldschmiedeausbildung oder sind hauseigene Absolventen. Eine einschlägige Ausbildung ist aber nicht Bedingung, man muss natürlich Ideen haben, sollte diese zeichnerisch gut präsentieren können und im Umgang mit Metall und Co. Geschick beweisen. Was dem Team des Schmuckkollegs aber das Wichtigste ist: „Experimentierfreudigkeit. Unvoreingenommen an die Sache herangehen, dann ist so viel möglich“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2009)

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