Warten auf eine neue Lunge

COPD-Patientin Marianne Hofmann braucht externen Sauerstoff zum Überleben.
COPD-Patientin Marianne Hofmann braucht externen Sauerstoff zum Überleben.Die Presse
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Der Volksmund sagt Raucherlunge dazu. Bei Marianne Hofmann ist die Krankheit COPD weit fortgeschritten, sie braucht Unterstützung beim Atmen.

Sie wartet seit zwei Jahren auf eine Lunge. „Auf der Transplantationsliste bin ich schon ziemlich weit vorn gereiht“, sagt Marianne Hofmann. Wie kann man sich auf eine Transplantation freuen? „Ich freue mich auf ein neues Leben. Wenn ich wieder alles machen kann, was ich gern mache“, sagt die 59-Jährige. Derzeit geht nur wenig. Sport sowieso nicht, aber auch Einkaufen ist zu anstrengend, selbst auf das Kochen muss die Wienerin verzichten. „Früher habe ich leidenschaftlich gern gekocht, jetzt schaffe ich es einfach nicht mehr.“

Marianne Hofmann leidet an COPD Stufe vier. Das ist die letzte Stufe, die schwerste Form der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit, an der Schauspieler Leonard Nimoy (Mr. Spock) erst Ende Februar knapp 84-jährig verstorben ist. Zu dieser Erkrankung mit fortschreitendem Verlust der Lungenfunktion sagt der Volksmund gern Raucherlunge. Rauchen ist wohl auch einer der größten Risikofaktoren.

Auch Marianne Hofmann, die heute LOT Wien leitet, die Selbsthilfegruppe für COPD, Lungenfibrose und Langzeit-Sauerstofftherapie, war starke Raucherin. Doch längst nicht alle COPD-Patienten sind Raucher: Einer internationalen Übersichtsarbeit zufolge haben weltweit zwischen 25 und 45Prozent aller Menschen mit COPD niemals geraucht. Auch Straßenverkehr und dessen bodennahe Schadstoffe, Feinstaub und chemische Reizstoffe können das Leiden verursachen.

Warum manche die Krankheit bekommen und manche nicht, hängt sicher mit einer genetischen Disposition für COPD zusammen. Es handelt sich dabei um eine chronisch entzündliche Verengung der Atemwege, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Folgen sind Lungenabbau, Atemnot – anfangs etwa beim Stiegensteigen, im fortgeschrittenen Stadium auch bei Ruhe – und Husten. „Ich habe früher, als es mir noch gut ging, zwar regelmäßig gehustet, aber nicht übermäßig“, erzählt Hofmann, „Ich habe dem Husten aber kaum Beachtung geschenkt.“

Alarmzeichen Husten. „Regelmäßiger Husten ist eines der ersten Alarmzeichen für COPD, da sollten alle Alarmglocken läuten“, sagt Sylvia Hartl, Oberärztin an der ersten internen Lungenabteilung am Wiener Otto-Wagner-Spital. Sie rät in diesem Fall zu einem Lungenfunktionstest. „Auch jeder Raucher ab 40 sollte einen solchen Test einmal pro Jahr machen, auch wenn offensichtlich keine Beschwerden da sind.“ Dieser Test dauert nicht lang, ist nicht invasiv und tut absolut nicht weh. Wird dabei etwa COPD im Anfangsstadium entdeckt, ist noch sehr viel zu retten. Mit COPD Stufe eins lebt man quasi ohne Einschränkungen, auch bei Stufe zwei bleibt die Lebensqualität nahezu voll erhalten. „Aber leider gehen die meisten erst dann zum Arzt, wenn schon 50 Prozent der Lunge irreversibel zerstört sind“, so Hartl. „Aber selbst dann kann man noch etliches machen. COPD ist zwar nicht heilbar, aber in den meisten Fällen relativ gut behandelbar.“ Besser noch freilich: vorbeugen.

„COPD ist eine verhinderbare Krankheit“, betont Hartl. Die wichtigste Präventionsmaßnahme sei bei Nikotinabhängigkeit ein absoluter Rauchstopp. „Dann kommt regelmäßige Bewegung.“ Sie – so Hartl – sei sowohl Pfeiler der Prävention als auch der Therapie. „Auch COPD-Patienten profitieren in vielerlei Hinsicht stark von Bewegung.“

Aufhorchen lassen Lungenärzte der deutschen Lungenstiftung in Hannover: Wer viel und häufig Sojaprodukte zu sich nimmt, weist bessere Lungenfunktionswerte auf. Mit sojareicher Ernährung ließe sich der beschleunigte Verlust der Lungenfunktion abbremsen, COPD-Patienten leiden so seltener an Atemnot. Laut einer japanischen Studie kann man mit Soja aber auch vorbeugen – täglich mindestens 50Gramm sollen das Risiko für die Entwicklung von COPD reduzieren.

Fahrrad statt Auto. Eine weitere Vorbeugemaßnahme ist saubere Luft. „Jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen“, so Hartl. Beispielsweise das Auto stehen lassen und öffentliche Verkehrsmittel oder das Elektrofahrrad benützen. Wenn das viele tun, ist das ein großer Schritt in Richtung Luftverbesserung. Eine andere Präventionsmöglichkeit betrifft nur extrem dicke Menschen: Hier kann Abnehmen COPD (aber auch einer anderen Erkrankung der Atemwege) vorbeugen. Hartl: „Ich rate zudem zur Vorsorgeimpfung gegen Pneumokokken und Grippe.“

Wegen einer schweren Grippe wurde Marianne Hofmann 2004 ins Spital eingeliefert. „Da stellte man fest, dass ich auch COPD habe. Ich hatte das zu diesem Zeitpunkt sicher schon viel länger, nur bemerkte ich es nicht. COPD tut ja nicht weh.“ Die Ärzte rieten ihr, mit dem Rauchen aufzuhören, die Patientin wurde aber erst nach mehreren Versuchen zur Nichtraucherin. Das Leiden verschlechterte sich, seit 2010 benötigt Hofmann Unterstützung beim Atmen. „Seither brauche ich Sauerstoff.“

Bei COPD Stufe vier kommt fast kein Patient mehr ohne externe Sauerstoffzufuhr aus. „Stadium vier bedeutet schon eine starke Verschlechterung der Lebensqualität. Daher sollte man es gar nicht so weit kommen lassen“, sagt Hartl. Eine rechtzeitige Diagnose und Therapie können da sehr viel verhindern. Neben medikamentöser Therapie zur Bronchienerweiterung (Inhalationspräparate) hat man in den letzten Jahren mehr Gewicht auf ambulante Rehabilitation, individuelle Therapie und Verbesserung der Lebensqualität gesetzt. „Da spielen Bewegung und Physiotherapie, unter anderem mit Atemmuskeltraining, eine große Rolle.“

Fremde Lunge. Silvia Scholz hat all diese Probleme schon hinter sich. Im März 2014 wurde ihr eine fremde Lunge transplantiert – und seit August 2014 kann sie sich wieder sportlich bewegen. „Ich hatte schwerste COPD, brauchte Sauerstoff rund um die Uhr, konnte gar nichts mehr.“ Inzwischen hat die Obfrau der gesamtösterreichischen Selbsthilfegruppe LOT Austria sogar schon am niederösterreichischen Frauenlauf teilgenommen – „Ich war die 3,5-Kilometer-Strecke mit den Nordic-Walking-Stöcken unterwegs“ –, geht regelmäßig wandern, fährt mit dem Rad und macht ein leichtes Lauftraining. Auf ein solches „neues Leben“ mit einer neuen Lunge freut sich auch Marianne Hofmann. Wiewohl sie auch jetzt keineswegs verzagt oder gar verzweifelt ist. „Niemand soll sich von einer Krankheit auffressen lassen.“

Rat und HILFE

Zur Unterstützung für COPD-Patienten haben die Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie und die Selbsthilfegruppe Österreichische Lungenunion eine App für Smartphones entwickelt.

COPD Help bietet unter anderem praktische Hilfe, überwacht die verordnete Medikamenteneinnahme und Terminpläne, erinnert an Arztbesuche oder Impfungen. Es gibt unter anderem auch Kontaktdaten und Notfallnummern.

Internetadressen: www.lungenunion.at, www.selbsthilfe-lot.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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