Nemzow-Mord: "Islamistische Motive unsinnig"

Ilja Jaschin (links im Vordergrund) glaub nicht, dass Nemzow aus islamistischen Motiven ermordet worden ist. Rechts vorne im Bild: Russlands Ex-Premierminister Mikhail Kasjanow.
Ilja Jaschin (links im Vordergrund) glaub nicht, dass Nemzow aus islamistischen Motiven ermordet worden ist. Rechts vorne im Bild: Russlands Ex-Premierminister Mikhail Kasjanow.(c) REUTERS
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Wegbegleiter des ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow sehen in den aktuellen Festnahmen ein Ablenkungsmanöver des Kremls.

Für Weggefährten von Boris Nemzow sind die aktuellen Ermittlungen in dessen Mordfall eine Farce. Dass Nemzow von Islamisten aus Tschetschenien erschossen worden sein soll, ergebe keinen Sinn und sei lediglich praktisch für den Kreml, weil diese These von Verstrickungen der Mächtigen ablenke. Nemzow, der vor gut einer Woche in Moskau nahe des Roten Platzes getötet wurde, war einer der bekanntesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. 

Dass Nemzow wegen dessen Unterstützung für das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" ins Visier von Islamisten geraten sei, hält Ilja Jaschin für unwahrscheinlich. Er hat mit Nemzow die liberale Partei "Union der rechten Kräfte" gegründet. "Unsere schlimmsten Ängste werden wahr", äußerte sich Jaschin am Sonntag auf Twitter. "Dem Schützen wird die Schuld gegeben werden, während diejenigen, die Nemzows Mord in Auftrag gegeben haben, unbehelligt bleiben werden."

"Die unsinnige Theorie der Ermittler von islamistischen Motiven (...) passt dem Kreml und nimmt Putin aus der Schusslinie", ergänzte Jaschin am Montag und warf somit dem russischen Präsidenten Putin indirekt vor, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein.

Auch Nemzows Tochter Schanna vermutet den Kreml hinter dem Verbrechen. "Ich bin mir sicher, es war ein politisch motivierter Mord", sagte die 30-Jährige der "Bild am Sonntag". Sie sei überzeugt, dass das Attentat "mit voller Unterstützung der Machthaber begangen wurde. Dass die Täter sicher waren, dass sie nicht bestraft werden".

Tschetschene gesteht angeblich

Gut eine Woche nach dem Mord hat einer der angeblichen Verdächtigen nach russischen Justizangaben eine Beteiligung an der Tat gestanden. Der Tschetschene Saur Dadajew habe ein "Geständnis" unterzeichnet, sagte die Haftrichterin Natalja Muschnikowa am Sonntag in Moskau.

Er und ein weiterer Tschetschene wurden wegen Mordes angeklagt, für die insgesamt fünf Verdächtigen wurde eine Untersuchungshaft bis Ende April angeordnet. Die Verdächtigen wurden von schwer bewaffneten Polizisten in Handschellen in den Gerichtssaal geführt und in Käfige gesperrt. Laut Nachrichtenagentur Tass stehen sie gemäß Artikel 105 Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs unter Verdacht, zusammen einen Mord verübt zu haben, um "sich zu bereichern oder im Auftrag". Dies deutet darauf hin, dass die Ermittler die Spur eines Auftragsmords verfolgen.

Kadyrow: "Ein tiefgläubiger Mensch"

Islamisten hatten im Jänner die Redaktion der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo" überfallen, die unter anderem Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte, und zwölf Menschen getötet. In Tschetschenien war es zu Massenprotesten gegen die Karikaturen gekommen. Nemzow hatte sich hinter die französische Satire-Zeitung und ihre Mohammed-Karikaturen gestellt und dafür angeblich Drohungen erhalten.

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow - erst am Montag von Putin mit dem "Orden der Ehre" ausgezeichnet - lenkte den Verdacht auf Islamisten, indem er im sozialen Netzwerk Instagram erklärte: "Alle, die Saur kennen, werden bestätigen, dass er ein tiefgläubiger Mensch ist und dass er - wie alle Muslime - über die Veröffentlichungen von Charlie und die Unterstützung des Drucks von Karikaturen schockiert war."

Der Nemzow-Mord

Der 55-jährige Nemzow war am 27. Februar auf einer Brücke vor den Mauern des Kreml im Zentrum Moskaus erschossen worden. Die Ermordung des Regierungsgegners löste in Russland und weltweit Bestürzung aus. Der frühere Vize-Ministerpräsident war einer der prominentesten Widersacher von Staatschef Wladimir Putin und ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik.

(Red./Ag.)

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