Spitalsärzte: Was bedeutet das Nein?

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PK WIENER �RZTEKAMMER: SZEKERES(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Nach der Ablehnung der Einigung für die Gemeindespitäler durch die Ärzte will die Ärztekammer Nachverhandlungen. Für die Stadt ist aber die Gewerkschaft Verhandlungspartner.

Wien. Er versuchte gar nicht erst, seinen Ärger über den Ausgang der Abstimmung zu verbergen. Mit versteinerter Miene wälzte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres gestern, Montag, die Verantwortung über die Ablehnung des auch von ihm ausgehandelten Vertrages zum neuen Arbeitszeitgesetz durch die Wiener Spitalsärzte auf den Krankenanstaltenverbund (KAV) ab.

„Der KAV tingelte mit externen Beraterteams und falschen Zahlen durch Spitäler und suchte nach Möglichkeiten, Dienstzeiten und Personal zu reduzieren“, sagte Szekeres bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Das Ergebnis der Abstimmung sei „vorhersehbar“ gewesen. Denn der KAV habe „nicht einmal im Ansatz begonnen“, die vereinbarten Strukturmaßnahmen wie etwa die Auslagerung von Leistungen in den niedergelassenen Bereich durchzuführen. „Damit wird die Vereinbarung gebrochen. Wenn der Spitalsbetrieb nicht an die Wand gefahren werden soll, muss es Nachverhandlungen geben.“

Zuvor wurde bekannt, dass sich die 3685 Ärzte in den Spitälern des KAV gegen die zwischen Ärztekammer, Gewerkschaft, Stadt Wien und KAV getroffene Einigung ausgesprochen hatten. 87,44Prozent (Wahlbeteiligung: 74,71Prozent) stimmten bei einem anonymisierten Online-Voting gegen den Vertrag. Eine Wahl, die auch die laufenden Verhandlungen mit den AKH-Ärzten in Wien und in den Bundesländern verkomplizieren wird, denn neben Wien wurden auch in Kärnten und im Burgenland keine Kompromisse gefunden.

1 Was bedeutet die Ablehnung nun für den ausgehandelten Vertrag?

Szekeres hat vor der Wahl angekündigt, dass seine Unterschrift bei einem negativen Ausgang nichtig sei. Auch die Kurie der Kammer will dem folgen. Die Gesundheitsstadträtin, Sonja Wehsely (SPÖ), war vom Nein nicht überrascht, die Verantwortung dafür sieht sie bei den Vertretern der Ärztekammer, die nachträglich nicht zum Ergebnis gestanden seien. Für Wehsely zählt aber in erster Linie ein Ja oder Nein der Gewerkschaft. Diese sei – wie bei allen sozialpartnerschaftlichen Gehaltsverhandlungen – der maßgebliche Verhandlungspartner. Für 12.März ist eine Sitzung des Vorstandes der zuständigen Gruppe in der Gewerkschaft angesetzt, wo abgestimmt wird. Wehsely rechnet mit einem positiven Ergebnis, jedenfalls steht der zuständige Gewerkschaftsvorsitzende, Christian Meidlinger, anders als Szekeres hinter dem Pakt. „Bei einem Ja gilt der Pakt“, sagt Wehsely. Bei einem Nein gebe es kein „Nachbessern“, sondern einen Neustart: „Sich nur das Schöne zu behalten, das widerspricht dem Wesen des Kompromisses.“ Allerdings dränge dann die Zeit, April sei die Deadline. Denn ohne Gesetz würden die neuen Arbeitszeiten gelten, es gebe aber keine Gehaltserhöhung ab Juli.

2 Inwiefern sind die Patienten von dem Ausgang des Votings betroffen?

Die neuen Dienstzeitenregelungen haben seit Anfang des Jahres Auswirkungen. Laut Patientenombudsmann der Ärztekammer werden mehr Beschwerden über Wartezeiten und Kapazitätsprobleme in den Ambulanzen der Spitäler sowie in Ordinationen registriert. Diese Probleme dürften sich verschärfen.

3 Mit welchen Punkten in dem Vertrag sind die Ärzte nicht einverstanden?

In der Einigung wurden unter anderem eine Anhebung der Grundgehälter um 29Prozent und eine Reduktion der Nachtdienste festgehalten. Für Unmut sorgten vor allem die Pläne des KAV, bis 2018 rund 380 Ärzteposten einsparen zu wollen. Die Kurie hatte in erster Linie deshalb keine Stimmempfehlung abgegeben, obwohl die Regelung von Szekeres mitverhandelt worden war. Der Kammer-Präsident steht daher bei der Ärztebelegschaft seit Längerem unter Beschuss. Auch kammerintern gab es Kritik an seiner Verhandlungsführung. Rücktrittsforderungen lassen ihn aber kalt: „Dafür sehe ich gar keinen Grund.“

4 Welche Folgen hat der Ausgang für die Abstimmung der AKH-Ärzte?

Noch vor Ostern (einen genauen Termin gibt es nicht) werden auch die Ärzte des Wiener AKH über ein Angebot des Rektorats abstimmen – ebenfalls elektronisch und anonym. Bis dahin wird weiter verhandelt. Beim vorliegenden Angebot sind die Ärztevertreter vor allem mit der geplanten Umsetzung der 48-Stunden-Woche ab 2016 sowie den Gehaltsanpassungen unzufrieden. Sollte das Rektorat das Angebot nicht deutlich aufstocken, wäre alles andere als eine Ablehnung auch der AKH-Ärzte eine Überraschung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2015)

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