Entführung in Libyen: IS laut Terrorexperten "auf Geld aus"

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Archivbild: Peter Neumann(c) APA/EPA/MICHAEL REYNOLDS (MICHAEL REYNOLDS)
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Terrorexperte Peter Neumann meint, dass jahrelange Verhandlungen mit dem IS möglich wären. Außenminister Kurz bestätigte, dass es bislang weder Kontakt noch ein Lebenszeichen von dem Oberösterreicher gebe.

Seit Montag ist die Entführung des 39-jährigen oberösterreichischen Manager des libyschen Erdölfelds al-Ghani bittere Gewissenheit: Dalibor S. und acht seiner internationalen Mitarbeiter befinden sich in der Gewalt des sogenannten Islamischen Staat (IS). Terrorexperte Peter Neumann geht davon aus, dass die Terroristen am ehesten auf Lösegeld aus sind. Das sagte er am Montagabend in der ZIB 2 des ORF.

Die beiden anderen naheliegenden Motive für eine solche Entführung - ein Gefangenenaustausch oder eine Propagandaaktion - hält der Experte demgegenüber nicht für wahrscheinlich. "Ich denke, dass der Österreicher keinen so großen Propagandawert hat wie zum Beispiel ein Amerikaner. Es gibt auch keine Gefangenen zum Austauschen." Daher denke er, "dass der Islamische Staat in Libyen wirklich nach dem Geld sucht".

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag indes bestätigt, dass es zu dem in Libyen entführten Oberösterreicher keinen Kontakt und auch kein Lebenszeichen gibt. Zur Stunde tage der im Außenministerium eingerichtete Krisenstab, erklärte der Ressortchef vor dem Ministerrat gegenüber Journalisten.

Alle bisher vorhandenen Informationen seien an die Presse weitergegeben worden, sagte Kurz. "Sobald es neue Entwicklungen gibt, werden wir Sie informieren." Derzeit gäbe es aber weder Kontakt zu den Betroffenen noch ein Lebenszeichen.

Jahrelange Verhandlungen möglich

Der am King's College an der Universität von London tätige Neumann verwies darauf, dass europäische Staaten - "auch zum Teil Österreich" - in der Vergangenheit Lösegeld in ähnlichen Entführungsfällen gezahlt hätten, um Entführte freizubekommen. Das sei aber "nicht unbedingt einfach gemacht" worden, "das heißt, man hat dann schon zwei, drei, vier Jahre verhandelt". Oft liefen die Verhandlungen aber nicht direkt, sondern über Mittelsmänner und dauerten Jahre. Zunächst gelte es einmal, einen Kommunikationskanal zu den Entführern aufzubauen.

Der IS war laut Neumann in Libyen nur eine Enklave; diese habe sich rasch ausgebreitet. Es handle sich um eine "neue Expansionsstrategie" des IS, nachdem eine weitere Machtausdehnung im Irak und in Syrien schwieriger geworden sei. Libyen als "Land im Chaos" sei dafür ideal.

(APA)

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