Ehemalige IS-Geisel: "Um Gnade zu bitten, ist dumm"

IS-Kämpfer auf dem Vormarsch im Osten Libyens.
IS-Kämpfer auf dem Vormarsch im Osten Libyens.Reuters
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Der Franzose Nicolas Henin berichtet über seine Gefangenschaft beim "Islamischen Staat". Er erzählt von Jihadisten, die mit „Teletubbies“ und „Game of Thrones“ aufgewachsen sind. Und die trotzdem kein Mitleid kennen.

Zehn Monate lang hatte Nicolas Henin in der Gewalt des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) verbracht. In der Geiselhaft traf der Franzose auch auf den jungen britischen Extremisten Mohammed Emwazi alias "Jihadi John" - den Mann, der vor laufender Kamera den US-Journalisten James Foley enthauptete. Mit einem Reporter der BBC sprach Nicolas Henin nun von seinen Erfahrungen mit seinen Entführern. Über "Jihadi John" will Henin nichts sagen – aus Angst, der sich noch in IS-Gefangenschaft befindenden britischen Geisel John Cantlie zu schaden.

"Jihadisten sind Kinder unserer Gesellschaft"

Dafür beschreibt er die Beziehung zu anderen Geiselnehmern: „Diese Kontakte waren wichtig, um Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamente zu bekommen“, sagt er. Die Gespräche mit den IS-Fanatikern seien sehr aufschlussreich gewesen: „Diese Jihadisten haben wenig mit den lokalen arabischen und muslimischen Kulturen zu tun“, sagt Henin. „Sie sprechen unsere Sprache, sie schauen dieselben Filme wie wir, spielen dieselben Videospiele, sie sind Kinder unserer Gesellschaft“. Die Jihadisten hätten sich als Kinder und Jugendliche Serien von „Teletubbies“ bis „Game of Thrones“ gesehen. „Sie sind Produkte unserer Kultur, unserer Welt.“

Henin spricht von „zerbrechlichen Menschen“. Viele der IS-Kämpfer seien ursprünglich nach Syrien gekommen, um den Menschen im Bürgerkriegsland  zu helfen. Doch die IS-Anführer würden die Neuankömmlinge gleich nach ihrer Rekrutierung zu schweren Verbrechen anstiften. „Und dann gibt es für sie keinen Weg mehr zurück.“ Bei einigen der IS-Kämpfer habe er sogar das Gefühl gehabt, dass siemöglicherweise bedauern, was sie tun. Und trotzdem legten sie kein Mitleid an den Tag. „Deshalb ist es dumm, um Gnade zu bitten. Es ist das Schlimmste, was du tun kannst – versuche es niemals.“

Lösegeldforderungen für Oberösterreicher?

Auch wenn Frankreich es nicht zugegeben hat, dürfte Henin aus der IS-Geiselhaft freigekauft worden sein. Zuletzt gab es Gerüchte, dass auch für den in Libyen vom IS entführten Oberösterreicher Lösegeld gezahlt werden könnte. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wollte am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat über etwaige Lösegeldforderungen aber nicht spekulieren. Eine Lösegeldforderung "steht zur Stunde nicht an", so der Bundeskanzler. Wie zuvor bereits Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte Faymann, dass es keinen direkten oder indirekten Kontakt zu dem Entführten gebe. Der gekidnappte Oberösterreicher hatte in einem Ölfeld südlich der libyschen Stadt Sirte gearbeitet.

Faymann erklärte, dass von österreichischer Seite alles unternommen werde, um Hilfestellung zu leisten, in der Regierungssitzung habe man "mit Sorge" über den Fall gesprochen. Es sei auch bereits ein Krisenstab eingerichtet worden, mehr könne derzeit nicht dazu gesagt werden.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprach von einem abgestimmten und einvernehmlichen Vorgehen. Er hoffe auf "positivere Nachrichten", auch wenn derzeit nichts darauf hindeutet, so Mitterlehner.

(red./APA)

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